Mittwoch, 6. Februar 2013

Interview mit Yinfinity („The Sixth Year")



"Am 09.10.2007 bin ich zum ersten Mal nach Deutschland gekommen. Das ist ein Comic, der sehr kompakt über meine vergangene fünf Jahre erzählt, und mein sechste Jahr 'voraussagt'. P.S. Der Comic ist auf Englisch gelettert, weil ich hoffe, dass meine Freunde in China ihn auch lesen können."

Mit ihrem autobiografischen Beitrag "The Sixth Year" hat Yinfinity beim Dezember-Wettbewerb den 2. Platz erreicht. Wir haben Yinfinity zur Geschichte hinter dem Beitrag und zu ihrer eigenen Comic-Geschichte interviewt - und auch zur Comicszene in China. Damit ist dieses Interview das bisher internationalste der myComics-Interviewreihe:

Woher kam die Idee zu The Sixth Year? 

Oh, das ist eine lange Geschichte.

„The Sixth Year“ ist eine autobiografische Geschichte, die auf meinem Erlebnis in Deutschland basiert. Im Oktober 2007 bin ich von China hierher gekommen um hier zu studieren, hab im Herbst 2008 mein Studium Kommunikatonsdesign angefangen und in Juli 2012 bin ich damit abgeschlossen. Nach meinem Sommer-Abschluss-Urlaub in China, kam ich Ende September zurück nach Deutschland und da stand vor mir ein neuer Start meines Lebens. Ich hatte das Gefühl, dass ich etwas für die vergangenen fünf Jahre tun soll, bevor ich einfach so anschließend eilig in die Zukunft stürze.

Bei dem Comic-Collab im August (das Thema war „Religion“) habe ich zum ersten Mal mitgemacht, das hat mir Spaß gemacht. Vor der Deadline für September war ich in China und hatte keine Zeit es mitzumachen.

Comic-Collab "Religion"
Als ich wieder zurück war, habe ich erfahren, dass das Thema für Oktober „Jubiläum“ ist. Ich dachte mir, hey was für ein Zufall, im Oktober wird doch auch mein 5-Jahre-Jubiläum in Deutschland! Vielleicht kann ich diese Gelegenheit nutzen, etwas über mein Jubiläum zu erzählen. Aber wie die Geschichte genau sein soll wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Da der Comic, den ich für August-Comic-Collab gezeichnet habe waren 2 Seiten, plante ich am Anfang für „Jubiläum“ auch vielleicht 2-3 Seiten zu zeichnen. Aber das war gar nicht einfach. In den fünf Jahren habe ich so viel erlebt, wie kann ich alles in die kleine Panels einpacken. Ich hatte so viele Bilder im meinem Kopf, die ich zeichnen wollte, dass ich nicht anfangen konnte zu zeichnen.

Die erste Seite zu zeichnen, das habe ich immer es nach „morgen“ verschoben, bis den Sonntag, den 07. Oktober. Jemand hat bei unserer WG geklingelt. Ich öffnete die Tür, sah das wärme helle Kerzenlicht auf einer lecker aussehenden Torte, und viele meiner Freunden lächelnd hinter ihr. Sie fingen an, das Geburtstagslied zu mir zu singen. Mein Geburtstag war schon über einer Monat vorbei und ich dachte dass meine Freunde es vielleicht schon vergessen haben und wusste nicht dass meine liebe Mitbewohnerinnen heimlich eine Überraschungsparty für mich organisierten. Und sie wussten nicht dass nach 2 Tage mein 5-Jahre-Jubiläum in Deutschland wurde, weil ich von diesem Datum noch niemanden erzählt habe.

Ich war sehr sehr berührt. Das bedeutete für mich viel mehr als eine Überraschungsparty. Ich liebe meine Freunde, und ich liebe meine WG. Ich habe hier in Augsburg auch das „Zuhause-Gefühl“ wegen ihnen. Und ich weiss endlich was ich noch in der Jubiläum-Geschichte zeichnen will: Zeichnen und Freunde, die zwei wichtigsten und schönsten Sachen, die ich während der fünf Jahren gefunden habe.

Danach ist dieser Comic langsam von 3 Seiten auf 18 Seiten gewachsen, und hat fast zwei Monate gedauert. Zwischendurch hat das Deadline der Abgabe vom Oktober-Comic-Collab verpasst. Aber ich bin sehr froh dass ich es durchgehalten habe und ihn zum Ende gebracht habe. Ich glaube, dass ich die fünf Jahre gut beendet habe und jetzt voller Energie und Mut habe, in die weitere Jahre zu treten.

Puh…fertig erzählt. Danke für euren Geduld es bis hier fertig zu lesen;) .

Danke fürs Erzählen - genau für diese interssanten Geschichten-hinter-den-Comics machen wir das Interview!

Und woran arbeitest du gerade?

Ich arbeite gerade an einer Graphic Novel heißt „Bessere Zeiten“. Mit der Geschichte habe ich letztes Jahr an dem Ehapa-Comicwettbewerb „das Comicstipendium – Heimat 2.0“ teilgenommen. Sie hat zwar keinen Preis gewonnen, wurde trotzdem als eine der bester Einreichungen auf Comic-Salon Erlangen ausgestellt. Es geht um die Erinnerungen und die Sehnsucht nach Vergangenheit.

Diese Geschichte habe ich eigentlich für meine Bachelorarbeit ausgedacht und fertig geschrieben. Weil es eine ziemlich lange Geschichte ist, habe ich nur Teil davon als Bechelorarbeit umgesetzt. Jetzt zeichne ich die Geschichte weiter, und suche auch gleichzeitig einen Verlag, der sie verlegen will.


Außerdem mache ich kleine Grafikdesignaufträge, damit ich mein Leben und das Comiczeichnen ein bisschen finanzieren kann.

Wann hast du mit dem Comiczeichnen angefangen, und wie kamst du dazu?

Richtig angefangen war es im Juli 2010. Mit „einem richtigen Anfang“ meine ich dass ich danach auch noch kontinuierlich weiter Comics zeichne. Eine Geschichte habe ich gezeichnet 10 Jahre davor, und davon erfahrt ihr etwas weiter unten in der Frage zur Comicszene in China.

Zu der Frage, wie ich dazu kam, gibt es 2 Versionen Antworte.

Die kurze Version ist so. Ich habe eines Tages im Februar 2010 das Buch „Heldentage“ von Flix in der Augsburger Stadtbibliothek gelesen und war davon sehr begeistert. Ein paar Monate später habe ich auch angefangen eigene Tagebuchstrips zu zeichnen und auch online gepostet. Na ja, das klingt relativ langweilig.

Es gibt eigentlich noch einen tieferen, komplizierteren aber auch spannenderen Grund warum ich Comiczeichnen angefangen habe. Wer mehr davon erfahren will, könnte es in meinem Beitrag „Das kleine Ich“ im Comicmagazin Strichnin Vol.4 entdecken. In diesem Comic wird es schön besser erzählt und erklärt.

Falls ihr euch dafür interessiert, hier ist ein 9-seitiger Preview (der Comic hat 16 Seiten) in meinem Blog: Das kleine Ich, page 1-9 . Über das Strichnin #4 und andere Comics im Heft könnt ihr hier erfahren: Strichnin.

Das erste Comicheft, das du dir selbst gekauft hast, war:

Hmm, ehrlich gesagt, daran kann ich mich gar nicht erinnern. Aber bestimmt einen Manga, weil als ich klein war, gab es nicht so viele andere Wahl als Mangas zu kaufen. Aber wie gesagt, welche das erste war, das ich mir selbst gekauft habe, habe ich schon vergessen.

Allerdings, ich kann mir daran erinnern, das erste Comicheft, das ich in Deutschland gekauft habe war das Comicmagazin Strichnin #2 . Kurz nachdem ich an der Hochschule Augsburg immatrikuliert habe, ist die Releaseparty von Strichnin #2 dort stattgefunden. Ich habe die kleine Ausstellung dort geschaut und fand die Bilder spannend, drum habe ich auch das Magazin gekauft. Damals habe ich noch nie gedacht dass ich 3 Jahre später meinen eignen Comic in Strichnin #4 veröffentlichen kann. („Strichnin“ ist ein Comicprojekt der Hochschule Augsburg, wird von Prof. Mike Loos geleitet. Das Strichnin #2 wurde 2010 mit Max und Moritz Preis in der Kategorie „beste studentische Publikation“ ausgezeichnet.)


Und da war bisher eher selten die Chance hatten, mit einer Comiczeichnerin aus China zu reden: Wie ist die Comicszene in China? Hast du dort auch schon Comics gezeichnet?

In China ist die Comicszene ziemlich anders als in Deutschland.

Da es in China viel mehr Menschen gibt als in Deutschland, lesen auch wahnsinnig viel mehr Leute Comics. Aber um genauer zu sagen, in China lesen wahnsinnig viele Jugendlichen und Kinder Mangas. Ich kenne niemanden (außerhalb der Comicbranche) in China, der über 40 sind und immer noch Comics liest. Es gibt auf dem Markt leider fast keine Graphic Novels, die ähnlich wie hier in Europa sind. In China denkt man, dass Comics ehr etwas für Kinder sind. Selbst wenn es Comics gibt, die vielleicht für „Erwachsene“ (für Leser zwischen 20-35) gedacht sind, sind sie auch fast nur in eine Richtung, also entspannend und lustig, sehen niedlich aus, sie sind ehr wie eine Art Fastfood meiner Meinung nach.

Comic- und Mangazeitschriften in einem Buchladen in China
Es gibt in China wahnsinnig viele gute Comiczeichner. Sie zeichnen wahnsinnig gut und können tolle Geschichte erzählen. Aber da der Markt so einseitig ist können sie ihre künstlerische Talente nicht gut entfalten. Seit ein paar Jahren gibt es Comickünstler und Verlagen, die versuchen, den Markt vielseitiger zumachen. Sprich, sie verlegen Comicmagazine mit Geschichten, die nicht so kitschig und oberflächlich sind und von der künstlerischen Aspekt her bessere Qualität haben. Man kann jetzt noch schwierig sagen ob sie schon richtigen Erfolg erreicht haben, weil wenn man in einen großen Buchladen geht, sind immer noch die Comics bzw. Mangas zu sehen, die ich oben erwähnt habe. Das wird noch ein bisschen dauern.

Und noch ein Foto der Comic- und Mangazeitschriften
Aber ich glaube auf jeden Fall, dass die Comicszene in China voller Hoffnungen ist und sie sich schnell entwickelt. Vor zehn Jahren war es sehr sehr schwierig für einen Mangazeichner nur mit seinen Beiträgen in einer monatlich erscheinenden Comiczeitschrift sein Leben zu finanzieren. Obwohl jetzt in Deutschland immer noch so ist, dass es schwierig für viele Comiczeichner ist, nur mit Comiczeichnen genug Geld zu verdienen. Aber in China ist diese Situation sehr viel besser geworden. Ein Mangazeichner können mit seinen Seriemangas gut Geld verdienen und man kriegt sogar damit viel Rum und Ehre. (Ich habe es so von meinen Freunden gehört) Das war vor zehn Jahren gar nicht vorstellbar.

Cosplay in China - Foto von cat demon
bei der ACG ("Animation Comic und Game") Messe in  Guangzhou
In China habe ich eine kurze Mangageschichte gezeichnet. Das war eine Zusammenarbeit mit meiner Schulfreundin. Wir haben ihn für einen Wettbewerb gezeichnet. Und wir waren so sicher dass wir mit dem Manga bei dem Wettbewerb einen Preis kriegen konnten. Na ja, das war vor c.a.12 Jahren. Wenn ich jetzt es nochmal anschaue, ist die Geschichte ziemlich banal langweilig und die Bilder sind auch zu schlecht gezeichnet. Aber damals hat es uns sehr viel Spaß gemacht und wir waren sehr stolz drauf. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen dass wir nichts gewonnen haben. Als ein Teenager mit schwachem Herzen, ich wurde davon sehr frustriert. Danach habe ich nur Bildchen gescribbelt, und keine Geschichte mehr gezeichnet bis eines Tages ungefähr zehn Jahre später meine innerliche Wille, Geschichte mit Bildern zu erzählen, wieder zurück kam.

Seite aus "The Sixth Year"
Wenn du dich für eine Woche in eine Comicfigur verwandeln könntest, wer würdest du dann sein? 

Ich wünsche ich in Doraemon verwandeln kann. Er hat zahlreiche nützliche tolle magische Geräte in seiner Bauchtasche. Z.B. ich kann dann auch die Tür zu Irgendwo haben. Ich brauche einfach sagen dass ich zurück nach China gehen will, öffne die Tür, trete in die andere Seite, und tahdaaah bin ich gleich bei meinen Eltern in Chongqing. So würde es auch wunderbar gut funktionieren für eine Reise oder einen Abenteuer. Innerhalb dieser Woche nehme ich einfach alle Geräte aus der Bauchtasche, die ich in meinem Leben brauchen könnte. Selbst wenn ich wieder zurück verwandle, kann ich die Geräte noch beibehalten. Er hat bestimmt auch coole Sachen gegen die Kriege, Umweltverschmutzung solche Sachen, glaube ich. Ach, das wäre so toll wenn ich ihn sein könnte XD

Was sind Deine aktuellen Favoriten auf myComics?

Sommer von Tim Gaedke (Link). Der ist schön gezeichnet und getextet, mit reizvoller ruhiger Stimmung. Den Comic mag ich sehr.

Danke für das Interview!

******

Weitere Links + Interviews:

Yinfinity bei myComics:
The Sixth Year, Eggi, 24h-Comic-Fischlein

Yinfinity online:
Hugehead-Blog + Yinfinity @ Facebook

Weitere Interviews mit myComics-Wettbewerb Gewinnern gibt es hier: myComics-Interviews

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen