Donnerstag, 13. Januar 2011

Das Leben als Comicautorin: Sarah Burrini

Um auch das Leben hinter den Comicfiguren zu zeigen, gibt es bei myComics eine Interviewreihe, in der verschiedene deutsche Comickünstler und Cartoonisten porträtiert werden. Diesmal im Gespräch: Sarah Burrini, Autorin der für den Sondermann nominierten Serie Das Leben ist kein Ponyhof.

Sarah Burrini ist ausgebildete Mediendesignerin und Trickfilmzeichner und arbeitet momentan als freiberufliche Comiczeichnerin und Illustratorin in Köln. Hin und wieder gibt sie auch Comic-Workshops, u.a. an der Comicademy.


Sarah Burrini

Hausbesuch bei Sarah Burrini

Hey, Sarah! Hast du heute schon was gezeichnet? Und wenn ja, was?
Ja, tatsächlich habe ich schon etwas gezeichnet. Allerdings keinen Ponyhof- Comic, sondern einen Comic für eine Broschüre über das Thema Pornografie im Schulunterricht. Also das, was man allgemein unter "Brotjob" versteht.

Obwohl es einige Frauen gibt, die sich im Comic-/Cartoonbusiness einen Namen gemacht haben, beschleicht einen das Gefühl, dass die Szene eine Männerdomäne ist. Stimmt das?
Ich erlebe das sehr unterschiedlich. Während im "klassischen" Comicbereich vielleicht nicht ganz so viele Frauen herumlaufen, gibt es mit dem Mangabereich eine wahre Flut an talentierten jungen Zeichnerinnen. Insofern hat sich das Bild schon sehr gewandelt.

Und wie fühlt man sich im „klassischen Bereich“ so als Frau unter den ganzen Kerlen?
Eine Frage, die zu so vielen flachen Witzen einlädt, darfst Du doch einer Comiczeichnerin nicht stellen! Scherz beiseite, ich bin mir da keiner Sonderstellung bewusst. Der größte Teil der Kollegen ist sehr umgänglich und ich freue mich jedes Mal wieder auf den ganzen Nerdhaufen zu treffen, wenn eine Messe ansteht. Natürlich gibt es auch Momente in denen sich die unterschiedlichen Geschlechter nicht so mit Respekt begegnen, aber das verbuche ich unter "idiotischer Einzelfall".


Sarah Burrini: "Nütellagirl"

Wie lange bist du schon zeichnenderweise unterwegs und was hat dich dazu gebracht, es professionell zu betreiben? Gab’s sozusagen eine Einstiegsdroge?
Auch meine Laufbahn als Zeichnerin wurde durch vollgekritzelte Schulhefte und eine niedrige Aufmerksamkeitsspanne begründet. Ich habe nie wirklich die bewusste Entscheidung getroffen Comics professionell zu machen. Wenn ich ehrlich bin, ist es einfach so passiert. Als ob ich keine andere Wahl gehabt hätte. Vor rund 10 Jahren, nach dem Abitur, habe ich dann konkret darauf hingearbeitet. Meine Einflüsse waren sehr verschieden. Es fing an mit den Lustigen Taschenbüchern und Asterix, ging weiter mit Yoko Tsuno und Gespenstergeschichten, von Dylan Dog zu Manara, dann zu Moebius usw. Zu sehen, dass man als einzelner Zeichner jede beliebige Welt entwerfen kann, war dann im Endeffekt vielleicht das, was mich dazu gebracht hat selber Comics zeichnen zu wollen.

Zeichner haben es nicht leicht hierzulande. Kannst du eigentlich von deinen Comics/Cartoons leben?
Ja, und ich glaube nach wie vor, dass das funktionieren kann. Natürlich ist es nie "ein Ponyhof", wenn man sich für einen kreativen Beruf entscheidet. Man muss auch Geschäftsmann sein. Es zählt nicht nur, ob man gut zeichnet, sondern auch, dass man mal vor die Türe geht und das den Leuten zeigt. Vielen Zeichnern fehlt es oft an Selbstbewusstsein, sie zweifeln ihre Arbeit an (was ja auch ein wichtiger Motor sein kann) und können sich vielleicht nicht so gut verkaufen. Ich schliesse mich da nicht aus. Ich kann zum Glück vom Comiczeichnen leben, da ich einen monatlichen Comic für das Comicmagazin "BENNI" gestalte und durch meine Webseite bekomme ich auch regelmäßig Anfragen für andere freiberufliche Comicjobs.


Webseite: SarahBurrini.de

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang das Medium Internet für dich?
Sehr sehr SEHR wichtig. Wie sollen die Leute von meiner Arbeit erfahren? Ich kann mich auf den Dom stellen und Handzettel runterschmeissen ODER ich kann eine Internetseite erstellen und dort meine Arbeiten präsentieren. Ist auch nicht ganz so zugig. Aber es reicht auch nicht unbedingt nur eine Seite zu erstellen, idealerweise sollte man diese auch mit regelmäßigen Neuigkeiten und Updates pflegen. Damit die Leser wiederkommen. Und die Auftraggeber. Durch meine Internetseite und der Mitgliedschaft in der Illustratorenorganisation inklusive Online- Portfolio melden sich schon öfters Leute, die einem Jobs anbieten. Sich auf den sogenannten sozialen Netzwerken und berufsspezifischen Foren herumzutreiben ist sicherlich auch nicht verkehrt. Es ist ja auch oft der Austausch mit gleichgesinnten Kollegen, der einen motiviert.

Das von dir genannte Projekt „Das Leben ist kein Ponyhof“ erscheint unter anderem auch online. Liegt die Zukunft des Comics im Internet?
Nö, glaube ich nicht. Ich denke, dass es auch weiterhin Comics in Printform geben wird. Als Webcomiczeichner wird man das oft gefragt, als ob es ein "entweder oder" geben müßte. Ich sehe keinen Grund weshalb es nicht digitale UND gedruckte Comics geben kann. Beide haben ihre Vor- und Nachteile, können aber im Endeffekt nur voneinander profitieren.

Comics im Internet lassen sich nicht „anfassen“. Könnte das nicht ein Problem sein, das es digitalen Comics auf ewig schwer macht?
Es schliesst sich nicht aus, dass man einen digitalen Comic auch mal druckt. Natürlich freue ich mich auch über die gesammelten Strips in Buchform. Ich kann es anfassen und es aus Versehen beim Lesen in die Badewanne fallen lassen, ohne dass ich über das kaputte 500 Euro teure iPad weine. Ausserdem mag man als Leser ja nicht, nur das haptische Gefühl, sondern auch das schöne Gefühl etwas zu "besitzen". Ich kann das absolut nachvollziehen. Der digitale Comic bietet dafür viele Freiheiten. Es gibt keine Druckkosten und man ist inhaltlich unabhängig. Dadurch können jenseits der Verlagspolitik interessante neue Inhalte entstehen und ganz einfach eine große Masse an Lesern erreichen.

Es heißt, „Ponyhof“ trage semiautobiografische Züge. Du hast also einen ehrgeizigen Elefanten, einen durchgeknallten Pilz und ein vorbestraftes Pony in deiner näheren Umgebung?
Ja. Wieso?


(Aus: Das Leben ist kein Ponyhof. Klicken, um kompletten Comic-Strip zu lesen)

Wie viel Sarah steckt wirklich in Sarah?
Erst mal jede Menge. Die Charakterzüge, die in der Comic-Sarah stecken, gehören auch zur realen Sarah. Was die Erlebnisse angeht, ist das sehr unterschiedlich. Ein paar Strips stammen direkt aus meiner näheren Erlebniswelt und sind vom Alltag inspiriert. Da ein Comiczeichner aber nicht unbedingt Indiana Jones ist, erfinde ich auch oft Sachen wie z.B. Ausflüge in die Welt des Blind- Datings oder die Rettung eines neurotischen Elefanten aus dem Kölner Zoo. Sozusagen, um die Spannung aufrecht zu erhalten. Wäre alles autobiografisch wäre es ein Strip über eine Comiczeichnerin, die 10 Stunden am Zeichentisch sitzt und Comics zeichnet. Das ist auf Dauer vielleicht nicht so spannend.

Mit Ponyhof warst du dieses Jahr sogar für den Sondermann nominiert. Warum hast du nicht gewonnen?
Ganz klar, der Beetlebum hat sich durch seine Hackerkenntnisse auf den 1. Platz manipuliert! Kennt man ja, diese Computerfreaks!
Ähm, nee, der Beetlebum hat vollkommen gerechtfertigt gewonnen. Seine Comics sind toll und nutzen das "Web" im Begriff "Webcomic" perfekt aus. Seine Abertausende von Lesern hat er nicht umsonst. Das war uns Nominierten ehrlich von vorneherein klar, dass er gewinnen wird. Deswegen war das überhaupt nicht dramatisch und wir kloppen uns auch nicht.

Wenn du semiautobiografisches in deinen Ponyhof-Comics verarbeitest, ist eine Ideenfundstelle ja schon mal klar umrissen, wie, wo und durch wen oder was lässt du dich denn sonst noch so inspirieren?
Es ist immer ganz praktisch sich an den Neuigkeiten des Tages oder einem gerade aktuellen Thema orientieren zu kommen. Das heißt zwar nicht unbedingt, dass ich jetzt Comics zum Thema "Irakkrieg" machen muss, aber wenn gerade zum Beispiel die Integrationsdebatte aktuell ist, fällt mir dazu vielleicht auch etwas ein. Oder einen Comic zum Thema Weihnachten, Ostern oder Karneval. Ansonsten hilft es mir die ganz normalen alltäglichen Dinge durch die "Klamaukbrille" zu betrachten, dann inspiriert mich sogar nach eine ganz normale Fahrt in der Kölner Strassenbahn...

Und wie kommt man dabei auf sprechende Brüste?
Das ist ein Betriebsgeheimnis, das ich auch viele Jahre nach dem Erscheinen von "Silly&Cone" nicht lüften werde...



Gibt es Kollegen oder Kolleginnen aus der Szene, deren Kunst du besonders schätzt?
Da gibt es sogar einige. Zum Beispiel bewundere ich aus sehr vielen verschiedenen Gründen Jamie Hernandez mit seiner Serie "Love&Rockets". Ausserdem Jeff Smith, Mike Mignola, Sergio Aragonés, Brian Lee O'Malley, Manu Larcenet und noch viele viele andere mehr!

Was machst du, wenn du nicht zeichnest?
Ich bin großer Freund der Unterhaltungselektronik und sitze demnach öfters vor meiner Playstation. Und damit ich nicht deshalb irgendwann aussehe wie Ngumbe, gehe ich regelmäßig zu meinem südamerikanischen Tanzsportkurs. Ansonsten gehe ich natürlich auch gerne mit meinen nicht-imaginären Freunden weg. Und ich schaue mir sehr gerne andere Länder und Städte an!

Mal angenommen, eine Fee kommt vorbei und will dir nicht den obligatorischen Wunsch erfüllen, sondern dich in eine beliebige Comicfigur verwandeln. Wen würdest du wählen?
Ich würde den "Punisher" wählen und meine neue Erscheinungsform sofort für Honorarverhandlungen einsetzen.

Falls ein junger, begabter Mensch Lust verspürt, Comiczeichner zu werden, würdest du ihm eher zu- oder eher abraten?
Ich würde einem jungen, begabten Menschen immer dazu raten, versuchen das zu machen, was ihn glücklich macht. Ich würde das sogar älteren, nicht ganz so begabten Menschen raten.

Was könnte man dem Nachwuchs also empfehlen?
Ich würde mich erst einmal umfassend darüber informieren, was der Beruf Comiczeichner eigentlich bedeutet und mir die richtigen Fragen stellen. WARUM möchte ich überhaupt Comiczeichner werden? Möchte ich zeichnen, möchte ich Geschichten erzählen, möchte ich eventuell sogar beides? Was muß ich als Comiczeichner sowohl zeichnerisch, als auch inhaltlich drauf haben und wie kann ich das lernen? Wie sind die Chancen im Inland als Comiczeichner zu arbeiten und wie sind sie im Ausland?
Mir ist in Comiczeichenkursen, die ich gegeben habe, öfters aufgefallen, dass viele Teilnehmer eine vollkommen eigene Vorstellung vom Beruf Comiczeichner oder Mangaka hatten. Daher würde ich empfehlen auf Comicmessen zu gehen und sich mal mit den anwesenden Zeichnern zu unterhalten oder sie anzuschreiben und Fragen zu stellen.
Wenn man sich dann immer noch wirklich sicher ist, dass man das machen möchte, gibt es viele verschiedene Wege zum Comiczeichner-Dasein. Das reicht von einem Grafik-Design- Studium, einem Praktikum (z.B. in einem Trickfilmstudio), Besuch von Aktzeichenkursen, bis zur Erstellung eines eigenen Fanzines oder Webcomics.

Warum ist die Welt eigentlich kein Ponyhof?
Weil wir sonst alle andauernd nur Ponymist wegschaufeln müssten!

Danke für das Interview!

Mehr von und über Sarah Burrini, inklusive Ponyhof-Comics, und einen Überblick über aktuelle Projekte (wie Astrum Noctis, zu dem das 'Blitzbild' links gehört), gibt es auf SarahBurrini.de.

Sondermann:
Die für den Sondermann-Preis nominierten Comicstrips von Sarah Burrini:
Das Leben ist kein Ponyhof

Weitere Interviews aus der Reihe:
Das Leben als Cartoonist: Joscha Sauer (NICHTLUSTIG)

Das Leben als Comicautor: Ralph Ruthe

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