Donnerstag, 6. Dezember 2012

Neulich im Internet: Blog-Interview mit Oliver Naatz zu Knallbert, dem Internet, und dem Leben als Zeichner und Autor

 
 
„Knallberts Tagebuch“, der Comic-Roman von Oliver Naatz, ging im Sommer mit “Lieber Nieten als Eliten“ in die dritte Runde. Jetzt ist der vierte Band in Arbeit. Diesmal kämpft Knallbert nicht nur mit den Unbillen des realen Lebens, er verstrickt sich auch im Internet. Ein guter Anlass, dachte sich dieses Blog, Oliver Naatz hier im Netz an Ort und Stelle zu interviewen:

Blog: Hallo, Oliver! Hast du heute schon etwas gezeichnet? Und wenn ja, was?

Oliver: Hallo, Blog! Ja, ich habe heute bereits etwas gezeichnet. Und zwar 11 (in Zahlen 11) neue Illustrationen für Knallbert Band 4. Darunter eine Tür, einen Eisbären und Berenikes Frauenclub. Den zeichne ich sehr gern, obschon es eine Menge Damen sind - und die wenigsten attraktiv sind.

Berenikes Frauenclub
Hm... wo wir schon bei "attraktiv" sind - das Schulwesen zeichnete ich auch. Und es erhält einen Namen!

Blog: "Namen" ist ein gutes Stichwort. Kannst du schon den Namen für den nächsten Knallbert-Band verraten?

Oliver: (Ja, durchaus! Es wird sich um Band 4 handeln.) Der Titel steht noch nicht fest, aber wir (die Herren Redakteure und ich - ich darf auch was sagen) überlegen bereits einen fesselnden, knalligen, aufregenden Titel, damit das Buch einen ... Titel hat. NOTIZ AN MICH: Wäre jetzt ganz gut, einen Titel zu haben ... Egal, es dreht sich diesmal um "neue Medien". Also Computer, Internet etc. Und natürlich um die ungeheuerlichen "Gefahren" (also für Herrn Knallbert), die sich daraus entwickeln. Erwähnte ich bereits den Eisbären? Nun, er hat mit dem Internet wenig zu tun.

Blog: Was ist deine eigene Lieblings-Episode in den Knallbert-Büchern?

Oliver: Oh, da gibt es einige Szenen, die ich liebe. Mein größter Spaß ist es, sogenannte "easter eggs" in die Story einzubauen, also Anspielungen auf Film, TV, Literatur, Comics (auch Literatur), bekannte Persönlichkeiten usw. In Band 4 gibt es einen wahnsinnig überflüssigen (für das Verständnis der Story), aber aufregenden "Watchmen"-Gag. (Der wohl berühmteste Superheldencomic aller Zeiten, von Alan Moore und Dave Gibbons, für alle, die ihn nicht kennen).

Zudem hat mir in Band 2 die Reise in das Westernkaff Besten Falls unglaublich viel Spaß gemacht. Diese wurde durch ein Facebook-Gespräch zwischen dem unglaublich hervorragenden Comiczeichner Ingo Römling und mir inspiriert, als wir uns zum Spaß Worte mit "falls" drin zuwarfen und uns lustige Dinge dazu ausdachten. "Falls" Du das liest, Römling: Ich habe keine Deiner Ideen copyrightverletzend verwendet! Und gemeine Gags liebe ich. Da ist Knallbert ja voll von, denn merke, so heiter und lustig und überspitzt es auch zugeht, Knallbert spielt halt in der "wirklichen Welt", die bekanntlich voller Elend und Gefahren ist. Ach, und die Indios im Amazonas und diese Umweltaktivistin habe ich lieb gewonnen.


Der oben erwähnte Eisbär
 Blog: Und wie war deine eigene Schulzeit – was war dein Lieblingsfach?

Oliver: Ich habe die Schule gehasst. Ich war nach ausnehmend hervorragenden Leistungen in der Grundschule ein Höhereschulversager sondergleichen. Ich benötigte 15 Jahre bis zum Abitur. Heute sind es, glaube ich, zwölf. Du siehst, die drei Zusatzjahre habe ich genutzt, indem ich meine schulische Abneigung dahingehend vertiefte, das ich heute gemeine Gags über diese Institution machen kann. Ohne, dass meine Ex-Lehrer anrufen und sagen: „Oliver, du warst so ein guter Schüler! Wieso tust du uns das an?"

Sollten meine Ex-Lehrer unter den Knallbert-Lesern sein: "Ich konnte keinen von euch ertragen, außer meiner Kunstlehrerein." Die erkannte mein (halbwegiges) Zeichentalent (Ingo Römling oder Ulf S. Graupner und Sascha Wüstefeld sind viel besser) und sagte stets: "Klasse, macht eure Zeichnungen fertig. Außer Oliver. Oliver, wenn Sie keine Lust haben, machen Sie Pause. Sie können es ja eh, und ich möchte, dass Sie Ihr hervorragendes Bild nicht aus Lustlosigkeit verschandeln." Ich machte also nichts, was meine Mitschüler natürlich voll sauer machte. Das habe ich genossen. Denn ein beträchtlicher Teil meiner Mitschüler mochte mich nicht *HEUL*. Als Doppelehrenrundler war ich ihnen zu blöd.

Das Schulwesen
 
Blog: Was war die schrägste Sache, die du selbst an der Schule erlebt hast?

Oliver: Einer meiner Mitschüler ist im dritten Stock aus dem Fenster gestiegen und hat sich an der Fassade entlang zum angrenzenden Klassenraum gehangelt und ans Fenster geklopft. Das gab einen Riesenaufstand. Natürlich hatte er nichts zu befürchten, denn sein Vater war Anwalt und in meiner Schule wurden Kinder aus angesehenen Familien mit großer Nachsicht behandelt. Lustig auch, als meine Mitschülerin S., sie war ein Lehrerkind und ihr Vater war Teil des Kollegiums, die mieseste Deutschklausur von allen schrieb. Sie heulte "Mein Vater schlägt mich tot, wenn ich mit einer 5 nach Hause komme." Mein damaliger Deutschlehrer glaubte das nicht und meinte, ihr Vater werde ihr sicherlich nichts antun. Sie heulte ohne Ende und nach fünf Minuten war aus der 5 eine 4 geworden. Sie heulte weiter und nach fünf Minuten war aus der 4 einer 3 geworden. Sie heulte weiter und als sie endlich eine 2+ statt der 5 unter ihrer Klausur stehen hatte, heulte sie weiter und schrie: "Mein Vater schlägt mich tot, wenn ich nicht mit einer 1 nach Hause komme!" Das klingt vollkommen irre, aber es war genau so. Lustig auch, dass der Deutschlehrer, als wir die betreffende Klausur abgeben mussten, sah, dass S. als einzige noch nicht fertig war. Da schrie er uns an, ich werde seine unsterblichen Worte nie vergessen: "Die S. ist die einzige, die noch schreibt! Weil sie Lehrerkind ist und besser als ihr! Ihr Deppen habt bereits abgegeben! Die S. nimmt sich als einzige Zeit! Sie wird die beste Note erhalten, weil ihr Narren eure Arbeiten nicht noch mal überarbeitet!"

Ach, ja, in der Grundschule hat einer der Lehrer immer seine Füße während des Unterrichtes in einer Schüssel gebadet. Der kam auch im Sommer stets mit Mantel, Hut, Schal etc. Und Herr A. (im Gymnasium) konnte die Leute nicht unterscheiden. Wir hatten einen Mitschüler mit Namen Klaus Martin (Klaus als Vorname, Martin als Nachname). Als Klaus Martin und Hans sich schlugen, trug er ins Klassenbuch ein: "Klaus prügelt Martin, bis er das Gesicht verzieht." Also hat Hans keinen Eintrag erhalten. Tragisch. Meine Schulzeit war voll von diesen Dingen. Heute glaubt einem das ja niemand mehr.
Waschzwang-Benjamin

Blog: Und was war die beste Sache?

Oliver: Dass ich nach 15 Jahren meinen Abschluss hatte und nie wieder die Schule betrat. Und dass ich in der 9 sitzenblieb. Da kam ich in eine neue Klasse (logisch), in der wirklich alle freundlich waren und in welcher es einen Klassenzusammenhalt gab. Das habe ich eigentlich nie wieder erlebt. Meine spätere Abi-Klasse (in die ich nach neuerlichem Sitzenbleiben kam) hat mich bis heute nicht zu den Treffen eingeladen!

Blog: Gibt es für dich so etwas wie einen normalen Arbeitstag und, wenn ja, wie sieht der aus?

Oliver: Ja, gibt es. Ich erwache und bin gerädert. Dann nehme ich ein Tässchen brühend heißen Bohnenkaffees zu mir. Danach checke ich meine emails, um zu sehen, ob die Herrn Redakteure etwas von mir wollen. Dann illustriere ich oder mache anliegende Übersetzungen für das MAD-Magazin, für das ich ja auch arbeite. Abends, nach diversen Tässchen brühend heißer Bohnenkaffeee (Mehrzahl) mache ich dann Feierabend. Dann gönne ich mir einen Blick auf Facebook, um zu schauen, was die verehrten Kollegen so treiben. Diese Vernetzung ist großartig. Leute, Freunde und Kollegen, die man selten sieht, sind voll in diesem Computer drin! Erwähnte ich bereits, dass es in Knallbert Band 4 auch um so facebookeske Dinge geht? Dann sehe ich fern oder lese ein richtiges Buch oder einen Comic. Vorm Einschlafen nehme ich gern noch ein Tässchen brühend heißen Bohnenkaffees. Dann kann ich schlecht schlafen und bin gerädert, sobald ich erwache.

NACHTRAG: Wenn ich nicht illlustriere, schreibe ich natürlich das Manuskript zum neuen Knallbert. 9.



Foto: (c) T. v. Uthmann 
Blog: Falls dir neben dem Schreiben und Zeichnen noch Zeit für anderes bleibt, was machst du dann am liebsten?

Oliver: Lesen, TV gucken, am liebsten CNN. Die US-Päsidentschaftswahlberichterstattung ist mein allerliebsten TV-Programm. Das gucke ich mir mit Freude an, seit 1992, als Clinton ins Weiße Haus einzog. Diese Wahlkampagnen sind unglaublich komisch. Zudem reise ich gern, und trinke ein Tässchen brühend heißen Bohnenkaffees. Und essen ist toll. So Tiere aus Fleisch. Mit Freunden unternehme ich sehr gern etwas, was momentan allerdings selten der Fall ist. Weil ich illustrieren muss und dieses Interview gebe.

Blog: Angenommen, du könntest eine Comicfigur sein, für wen würdest du dich entscheiden? 

Oliver: Hm... schwierig. Superman wäre ja cool, wegen rumfliegen und so. Aber er ist kein Mensch! Das irritiert natürlich. Als Kind wollte ich immer einen Flight Ring haben, wie die Typen von der Legion of Superheroes. Dann könnte man man selbst sein, was ich ganz hervorragend finde, und fliegen. Also Mitglied der Legion of Superheroes wäre ich schon gern. Ansonsten ... würde es mir gefallen, Schlumpfkönig zu schlumpfen. Um sich wenigstens ein wenig abzuschlumpfen. Und der junge, aufs "Altenteil" zurückgezogene Batman natürlich. Kein Stress mit den Villains, aber Milliarden und einen Butler. Und diesen Damien würde ich nicht anerkennen und Dick und Jason und Tim sind ja alt genug, ihr eigenes Geld zu verdienen. Und Alfred würde mir zu jeder Tages- und Nachtzeit ein Tässchen brühend heißen Bohnenkaffees servieren.

Blog: Falls ein junger, begabter Mensch Lust verspürt, Comiczeichner zu werden, würdest du ihm eher zu- oder eher abraten?

Oliver: Wenn der junge Mensch das unbedingt will, würde ich ihm zuraten. Aber dieses junge Geschöpf muss wissen, dass es ein sehr harter Job, der unendlich viel Arbeit und Geduld fordert, ist. Geduld hab ich ja jede Menge. Dauert das hier noch lang?! Man muss üben, üben, üben, am besten sehr viel kopieren, von den Besten natürlich und eine Begabung haben. Was dann aber nicht heißt, dass man sofort ins Lager der Profis gerät, bzw. irgendwo einen Comic veröffentlichen kann. Man muss nicht nur sehr gut (oder ganz okay, wenn die Story stimmt) zeichnen können, sondern man braucht Connections. Verlage, Verleger, Kollegen, Proficomiczeichner. Also netzwerken! Oder man ist so gut, dass die Herren vom Graphic Novel-Fach sagen: "Parbleu! Ein ungeheuer intellektuelles Werk, das sich eines Topos annimmt, das größer denn alle Weisheit ist! Ich will es verlegen!" oder so ähnlich. War ein Scherz! Nichts gegen Graphic Novels. Es gibt sehr gute solche und einige meiner geschätztesten Kollegen graphicnovelen erfolgreich umeinand und ich freue mich, dass dieser Boom in Sachen GN entstand. Wenn man also kontiniuerlich an seinen Fähigkeiten arbeitet, kann es zum Erfolg kommen. Ich selbst hatte mit den klassischen Comics, die ich jahrelang machte, keinen großen Erfolg. Aber ich kannte die richtigen Leute und letztendlich bot man mir Knallbert an, der ja kein klassischer Comic ist. Dass der so gut läuft, hätte ich nicht erwartet. Ich hatte großes Glück und bin den Herren Redakteuren sehr dankbar.

Blog: Was könnte man dem Nachwuchs also empfehlen?

Oliver: Den vorherigen Punkt lesen und den Seitenhieb auf Graphic Novels nicht ernstnehmen. Und niemals aufgeben, natürlich.

Blog: Und was wärst du geworden, wenn es mit dem Zeichnen nicht geklappt hätte?
Ich habe ja noch einen Übersetzer-Job und einen Journalistenjob und schreibe Fernseh-Tipps und mache hin und wieder eine Filmkritik und selten mal einen Artikel zu diesem und jenem. Vermutlich wäre das meine Haupteinnahmequelle. War es ja, bevor ich Knallbert hatte. Und meinen komplett sinnlosen Kriegsroman hätte ich vermutlich auch fertig. Oder auch nicht! Professioneller Bohnenkaffeeist wäre natürlich auch eine Option.

Blog: Natürlich! Danke für das Interview!

Und gleich noch ein zweiter NACHTRAG: Neben vielen anderen Dingen und Worten gibt es im Internet natürlich auch Leseproben zu Knallbert, und zwar hier, auf der Knallbert-Webseite.


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