"Das Leben vs Kokee. Der Alltagshorror mal lustig, traurig, ernst, nachdenklich. Wie das Leben eben so ist."
- das ist das Intro, das Kokee Thornton ihren "Weirdoz"-Comic-Tagebüchern voranstellt. Letzten Monat ging die 31. Folge bei myComics online, mit dem Titel: "Was mache ich denn heute mal nicht?"
In ihren Comic-Tagebüchern reflektiert Kokee ernste Themen des Lebens und umschifft dabei gängige Klischees durch den cleveren Dreh, alle Menschen als Monster zu zeichnen. Das alles mit Humor und mit gekonntem Strich - und in verschiedenen Formaten: Einzelbilder, 4er-Panels, mal mehr Text, mal der Fokus auf einem Bild - so bleibt es immer abwechslungsreich. Wir haben Kokee zum Weirdoz-Jubiläum-plus-1 (wäre ja sonst auch zu Nicht-Weird) dazu interviewt.
In ihren Comic-Tagebüchern reflektiert Kokee ernste Themen des Lebens und umschifft dabei gängige Klischees durch den cleveren Dreh, alle Menschen als Monster zu zeichnen. Das alles mit Humor und mit gekonntem Strich - und in verschiedenen Formaten: Einzelbilder, 4er-Panels, mal mehr Text, mal der Fokus auf einem Bild - so bleibt es immer abwechslungsreich. Wir haben Kokee zum Weirdoz-Jubiläum-plus-1 (wäre ja sonst auch zu Nicht-Weird) dazu interviewt.
Wann und wie entstand die Idee für Weirdoz?
Einer Freundin ging es vor gut zehn Jahren so mies, dass sie einen anstrengenden Marathon aus Klinikaufenthalten und anschließender Kur absolvieren musste. Weil sie sich einsam und schlecht fühlte, begann ich, ihr zum Trost unseren bescheuerten Alltag hier zu zeichnen, statt einfach nur Briefe zu schreiben. Um sie zum Lächeln zu bringen, habe ich uns alle als Weirdoz-Felltypen gezeichnet. Gemalte Menschen fand ich zu langweilig.
Letztendlich machte mir das Felltypen - Comic Tagebuch zeichnen dann so viel Spaß, dass ich es einfach beibehalten habe. Auch weil mir bewusst wurde, welche Vorteile diese Figuren erzählerisch bieten, da man sie optisch eben nicht in Vorurteils-Schubladen stecken kann und damit Menschen über die gesellschaftspolitische Nische hinaus erreicht, die vielleicht sonst nicht bereit wären mal einen Blick über ihren eigenen Tellerrand hinaus zu werfen.
aus Weirdoz #31: "Was mache ich denn heute mal nicht?" |
Deine Weirdoz-Tagebücher sind ein Projekt, das schon lange läuft. Hast du dazu einen festen Plan, also zum Beispiel jeden Tag eine Seite, und mit einem Thema und Format, oder ist es eher spontan?
Nö. Ich bin dahingehend eine eher planlos Dauergetriebene. Das aktuelle Thema ploppt wie eine Gedankenblase einfach in meinen Kopf auf und will dann ganz dringend gezeichnet werden, sonst finde ich keine Ruhe mehr. Ich stehe manchmal fünf- sechsmal pro Nacht auf, weil ich plötzlich zig Ideen habe beim Einschlafen wollen, die ich dringend aufschreiben muss. Das nervt mich dann selbst auch etwas. Meistens läuft mein Kopf derart auf Hochtouren, dass ich mehrere Comics am Stück zeichne.
Zum Glück gibt´s aber auch Tage wo das Gedankengetriebe erschöpft raucht und klemmt, wenn ich mich zu sehr verausgabt habe beim kreativ Eskalieren und ganz dringend Ruhe vor mir selbst brauche. Die Auszeit nehme ich mir mittlerweile auch. Durch diesen inneren Zeichendrang gelingt es mir seit gut zehn Jahren, fast jede Woche neue Comics online zu stellen.
Ich habe allerdings angefangen eine Graphic Novel zu zeichnen. In dem Fall arbeite ich tatsächlich planvoll und setze mich mindestens fünf Tage die Woche gezielt daran, mehrere Stunden täglich. Finde ich auch gut. Macht Spaß.
Wie hat sich Weirdoz über die Zeit entwickelt?
Inhaltlich & thematisch schon zeitgemäß, denke ich. Vom ganzen Drumherum aber zu wenig, da ich eine dieser Künstlertypen bin, denen Businesskram schwer fällt. Darum bekomme ich die tägliche Comiczeichnerei nicht bezahlt, habe keinen Verlag und bin weit davon entfernt von meiner Berufung leben zu können. Dieser ganze Selbstvermarktungskram überfordert mich. Jemanden der/die Ahnung von der Comicwelt und Promotion hat, kann ich aber leider nicht bezahlen. Tja nun... Ein Weg ins Nirgendwo. Meine Follower:innen fragen immer öfter, wieso man mich eigentlich nicht richtig supporten kann und wo das Merchandise bleibt. Seitdem versuche ich wenigstens Patreon oder Steady zu schnallen. Hihi.
Ah, siehste, es hat sich doch etwas verändert: Die Leser:innen. Ich habe mittlerweile eine sympathische, wunderbar diverse und interessante Leserschaft aus Menschen von überall im deutschsprachigen Raum, die mich schon auch mal freundlich kritisieren, wenn sie finden, dass ich daneben haue oder es mir zu einfach mache. Die auch von ihren Erlebnissen erzählen, was ich sehr spannend finde. Das lieb ich.
aus: Weirdoz #28: Riskant Entspannt |
Inwieweit hat Corona und der Lockdown deine Arbeit an deinen Comicprojekten beeinflusst – was hat sich in dem Bereich verändert?
In meinem Fall hat das Ganze gute und schlechte Seiten. Die erzwungene Auszeit nimmt mir den Druck in einer hoch funktionalen Gesellschaft mithalten zu müssen, für die ich einfach nicht gemacht bin. Andererseits vermisse ich den persönlichen Kontakt zu meinen Lieblingsmenschen, den kreativen Austausch und die gesellschaftlich schönen Momente des Lebens unglaublich.
Besorgniserregend finde ich, was diese Krise mit uns als Gesellschaft macht. Das Menschen sich so einfach irritieren und instrumentalisieren lassen von zwielichtigen Verschwörungs-Schnackern und furchtbar ätzenden Rassisten, während die Politik mit ihrem verwirrenden Hin und Her zunehmend planlos wirkt. Ich finds zum Kotzen, dass jüdische Menschen wieder in der Angst leben müssen angegriffen zu werden, weil derselbe, gefährliche, antisemitische Verschwörungsbullshit kursiert wie Anfang des letzten Jahrhunderts. Das Journalist:innen, Wissenschaftler:innen, Kreative, etc. angegriffen und bedroht werden. Morddrohungen erhalten. Gruselige Zeiten sind das. Dabei hielten wir unsere Gesellschaft doch für so fortschrittlich und aufgeklärt. Puh.
aus: Weirdoz #31: "Was mache ich denn heute mal nicht?" |
Sich auch kritisch mit den Leitfiguren, Wortführer:innen der eigenen Bubble und mit sich selbst auseinander zu setzen, scheint mir gerade allgemein ein Problem vieler gesellschaftspolitischer oder auch einfacher Fan - Gruppierungen zu sein. Vor allem Online. Es gibt scheinbar nur noch A gegen B. Schublade Eins, Schublade Zwei. Selbstreflektion und die Bereitschaft zur Kommunikation mit nicht radikalen Andersdenkenden, also Leuten mit denen man ernsthaft diskutieren könnte, womit ich kein Fanatiker meine, die erreicht man nicht mehr, verschwindet zugunsten von Likes, Geltungsdrang und Gruppenzugehörigkeitsgefühlen. Egal ob Politik, Games/Fandom, Pony Fanclub Klein Pöttersen, was auch immer man toll findet.
Klar fällt es schwer das woran man glaubt und die eigenen Held:innen auch immer mal zu hinterfragen. Aber lieber etwas weniger Superfan und dafür auf Augenhöhe mit anderen sein und bleiben. Ich glaube, das ist gesünder für eine Gesellschaft als diese merkwürdig grenzenlose Heldenverehrung, die gerade so übertrieben stattfindet. Es gibt echt Leute die sogar mir schreiben: "Du hast immer Recht, du bist so toll!" Nein, ich habe garantiert nicht immer Recht! Ich bin auch nur hin und wieder mal toll. Genauso oft bin ich pöbelig, schlecht gelaunt, negativ, weinerlich, manchmal sogar unfair. Und so ist jeder! Es gibt keine unfehlbaren Halbgötter! Wir sind alle bloß wandelnde Fleischgardinen mit beschränkter Lebensdauer.
Letztendlich werden mir die Themen für meine Weirdoz Comics trotz und auch durch Zeiten wie diese wohl nie ausgehen.
Wo kann man mehr von dir finden?
Fast täglich könnt ihr meine Comics ganz frisch gezeichnet und gepostet hier lesen:
- Insta: @kokeethornton
- Webseite: kokeethornton.com
- Facebook: WeirdozWebcomic
Danke für das Interview - wir sind schon gespannt auf deinen nächsten Weirdoz-Beitrag!
Geniale Künstlerin, die auch noch toll singen kann. Schätze ihre Arbeit seit Jahren.
AntwortenLöschenSehr schönes und ehrliches Interview.
Sie ist seit Jahren eine Künstlerin mit gutem Herzen, hoher intrinsischer Motivation und Kreativität.
AntwortenLöschenIch bin sehr dankbar, dass es solche Menschen gibt.