Mittwoch, 10. November 2010

Interview mit Web-Sondermann Gewinner Johannes Kretzschmar

Der Web-Sondermann wurde 2010 geschaffen, um die zunehmende Bedeutung von Comics und Manga zu würdigen, die ausschließlich im Internet veröffentlicht werden.

Die Nominierten für den Web-Sondermann wurden auf myComics.de ausgewählt. In die Endauswahl kamen: Arne Schulenberg und Jens Sundheim: "Union der Helden", Ulf Salzmann: "Flausen", Sarah Burrini: "Das Leben ist kein Ponyhof" und Johannes Kretzschmar: "Beetlebum". Alle Beiträge für den Sondermann-Wettbewerb sind übrigens noch auf myComics online, unter "Specials/Sondermann".

Die Abstimmung der Endrunde fand in der Frankfurter Rundschau und auf SPIEGEL Online und Comicforum.de statt. Der Sieger wurde dann auf der Frankfurter Buchmesse bekannt gegeben: Johannes Kretzschmar mit seinem Comic-Blog Beetlebum.

Johannes Kretzschmar im Interview

Wann hast du mit dem Comiczeichnen angefangen, und wie kamst du dazu?
Den Zeitpunkt, an dem ich bewusst angefangen habe, Comics zu zeichnen, gibt es glaube ich nicht. Ich zeichnete schon sporadisch seit meiner Schulzeit Comics zur Bewältigung besonders langweiliger Schulstunden :) Richtig bewusst ambitioniert und regelmäßig mache ich das aber erst seit knapp 5 Jahren mit Beginn meines Comicblogs.

Woher kam die Idee zu Beetlebum? - Woher bekommst du generell die Ideen für deine Comics, eher spontane Eingebungen oder hast du eine bestimmte „Grübelphase“?
2005 begannen einige meiner Freunde damit ein Weblog zu schreiben. Ich fand die Idee ganz nett, entsann mich meiner alten Schulzeiten und wollte ein Blog über mein Leben in Comicform starten. Ideen sind bei mir nahezu immer spontane Eingebungen, meistens zu Zeiten und Orten an denen man gerade kein Stift oder Notizblock zur Hand hat (Dusche, Joggen, Toilette, etc).

Was waren bisher die Höhepunkte in deiner Comic-Laufbahn?
Tatsächlich der Sondermann Preis :) Ansonsten die von mir und Ulf Salzmann (flausen.net) herausgegebene Panik Elektro Comicanthologie "Seelenstrips" dieses Jahr und die damit verbundene Ausstellung zu autobiographischen Webcomics in Deutschland.

Das erste Mal 100 Besucher auf der Webseite zu haben, war auch ein tolles Gefühl. Das übersteigt nämlich bei weitem die Anzahl meiner Freunde und so musste es da draußen tatsächlich Leute geben, die sich die belanglosen Banalitäten eines völlig Fremden (mir) antun.

Und was war der Tiefpunkt?
Ein Tiefpunkt der "Karriere" gibt es nicht wirklich. Manchmal leidet man an einer temporären Ideenlosigkeit, bei der man glaubt niemals wieder gute Ideen zu haben. Das ging bisher aber immer wieder vorüber ;)

Woran arbeitest du gerade?
Neben beetlebum arbeite ich gerade an der Reaktivierung meines "NerdyBerdy" Webcomics (nerdyberdy.com).
Das ist ein Comic, bei dem die Leser aktiv mit eingebunden werden, indem sie ähnlich Adventure Games oder RPGs vorgeben können, welche Handlung der Protagonist als nächstes ausführen soll. Darauf zeichne ich dann die nächste Episode und so fort.

Parallel dazu überarbeite ich gerade meine Urlaubstagebücher, die im Grunde eine Sammlung von Blogeinträgen sind, um sie bestenfalls verlegen oder schlimmstenfalls im Netz veröffentlichen zu können.

Wie sieht ein normaler Wochentag bei dir aus? Wie viel Zeit verbringst du mit Zeichnen?
Ich stehe auf, gehe zur 8-10 Stunden zur Arbeit (wissenschaftlicher Mitarbeiter ), komme nach Hause oder gehe in das Atelier und arbeite als freiberuflicher Illustrator weiter. Blogeinträge entstehen meistens abends, kurz vorm Einschlafen (das erklärt im Übrigen auch die enorme Anzahl von Rechtschreibfehlern :) Also zeichne ich so 1-5 Stunden pro Tag.

Auf myComics ist auch dein apokalyptisch-humoriges Comic „Der letzte Mensch“ – vom Comiczeichnerseminar Erlangen, Sommer 2009. Wie lief dieses Seminar ab?
Das deutsch-französische Comiczeichnerseminar wird jedes Jahr von Paul Derouet und dem Kulturprojektbüro in Erlangen veranstaltet.
Im Grunde kann sich da jeder bewerben und dann eine Woche lang unter Anleitung 2er Comickünstler an einer Geschichte arbeiten. Die dabei entstandenen Arbeiten werden alle 2 Jahre zum Comicsalon ausgestellt.
Für mich war das besondere, einen so langen Zeitraum konzentriert durchgehend an einem einzigen Comic zu arbeiten. Insbesonders das Diskutieren einer Idee und Ausführung mit anderen Künstlern war sehr gewöhnungsbedürftig aber nett.

Wenn du nicht zeichnest, was machst du sonst so?
Ich habe etwas "Ordentliches" gelernt und arbeite wie gesagt an der Uni Jena im Fachbereich Informatik, künstliche Intelligenz. Ansonsten kümmere ich mich natürlich um die Freundin, etwaige Haustiere, meine XBox und erfreue die Nachbarn mit selbstgemachter Musik.

Welchen deiner Kollegen schätzt / magst du am liebsten? (in Sachen Kunst)
Ich mag Chris Ware, Baru, Jeff Smith und meine diesjährige Entdeckung Winshluss' "Pinocchio"

Eine Welt ohne Comics/Cartoons wäre für dich … ?
...unerträglich langweiliger.

Vielen Dank für das Interview!

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