"Kurzer fast nonverbaler 3-Seiten-Comic zum Thema Bildung und Chancengerechtigkeit in Deutschland am Beispiel vom Tagesablauf zweier Kinder aus zwei unterschiedlichen Familien..."
....das ist die Kurzbeschreibung zum Kurzcomic "Parallelwelten", mit dem TeMeL alias Thekla Löhr beim Kurzcomic-Wettbewerb von myComics den 1. Platz erreicht hat.
Twitter-Reaktionen
Ihre erste Reaktion darauf kam per Twitter: "Funfact: Das ist der ERSTE Comicwettbewerb den ich gewonnen hab! Und ich dachte anfangs mit ner "anspruchsvollen" Story bin ich chancenlos!"
Was dann zu einem weiteren Twitter-Gedanken von Walterscheid, dem Gewinner des Einseiter- Wettbewerbs führte: "Bin auch überrascht. Kommt vielleicht auf die Mischung an. Habe jetzt auf jeden Fall wieder Lust, anspruchsvolleres zu machen :)"
Anspruchsvoll ist auch die Graphic Novel, die TeMel kürzlich veröffentlicht hat: "Wohlstand". Wir haben sie dazu, und zu ihrem Wettbewerbsbeitrag und ihrer eigenen Comic-Geschichte befragt:
Woher kam die Idee zu „Parallelwelten“?
Eigentlich direkt aus der aktuellen Berichterstattung was die Bildungssituation in Deutschland angeht. Ich lese viel Zeitung und Internetberichte über politische Themen und natürlich ist da Bildung auch immer ein ganz großes Thema. Es ist ein ganz entscheidender Faktor, auch wenn es um so Themen wie Arbeitsmarkt und Wirtschaft geht. Und ausgerechnet in diesem Sektor liegt meiner Meinung nach doch vergleichsweise vieles im Argen. In „Parallelwelten“ wollte ich eigentlich nur mit einem direkten Vergleich zeigen, dass eben nicht jeder jeder die gleichen Chancen hat, unabhängig von Elternhaus und Portemonnaie. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, aber vielfach ist es schwierig für Kinder aus armen Familien in der Schule und der späteren Ausbildung voran zu kommen. Nicht nur, weil Geld für Hausaufgabenhilfe oder Schulmaterial häufig nicht vorhanden ist, sondern teilweise auch, weil Geldmangel häufig für weitere Probleme innerhalb der Familie sorgt und Kinder zusätzlich belasten kann, auch wenn ihre Eltern sich die größte Mühe geben, dass dies nicht passiert.
Bildung hängt auch bei uns sehr wohl häufig vom Geldbeutel ab, obwohl zahlreiche Politiker dies nicht wahrhaben wollen. Dafür wollte ich mit meinem Comic sensibilisieren, in der Hoffnung, dass sich daran etwas ändern wird. Denn es wäre nur fair, wenn tatsächlich jedes Kind die gleiche Chance bekommt. Und ich denke, dass die Politik da wesentlich mehr tun könnte als sie heute tut. Da wird gerade in Wahljahren wie 2013 viel versprochen, aber später zu wenig unternommen.
Leseprobe "Wohlstand" bei myComics |
Vor kurzem wurde deine Graphic Novel „Wohlstand“ veröffentlicht, auch dort setzt du dich mit den Problemfeldern in unserer Gesellschaft auseinander. Wie war es, sich mit einem gesellschaftskritischen Thema in einer Graphic Novel auseinanderzusetzen? Was war die größte Schwierigkeit und die größte Überraschung bei der Arbeit mit dem Stoff, und nach der Veröffentlichung?
Ich liebe es mich mit gesellschaftskritischen Themen zu beschäftigen und diese zu verarbeiten. Das ist mittlerweile ein großer Teil meiner Motivation geworden Comics überhaupt zu zeichnen. Bei WOHLSTAND ging es mir darum verschiedene Probleme aufzuzeigen, denen ich selber immer wieder begegne. Allen voran das große Thema Leistungsgesellschaft, in das dann viele andere gleichen Themenbereiche rein spielen. Viele Einzelheiten der Story ergaben sich durch eigene Erlebnisse oder Medienberichte über die sozialen Zustände in Deutschland. Für mich persönlich ging die Arbeit vergleichsweise leicht von der Hand, da es mir ein persönliches Anliegen geworden ist auf Missstände aufmerksam zu machen, vielleicht sogar verbunden mit der Hoffnung, dass meine Werke eine Änderung bewirken könnten.
Szene aus "Wohlstand" |
Die größte Schwierigkeit dabei war es zweifelsohne die vielen Aspekte, die ich für wichtig erachtet habe, zusammen in eine Geschichte zu packen, ohne dass die Handlung zu dicht und nicht mehr nachvollziehbar wirkt und das mit doch vergleichsweise wenig Platz und wenig Text. Es ist eine Gratwanderung in vielen Teilen und man geht das Risiko ein, zugunsten bestimmter, persönlicher Präferenzen vielleicht andere Themenaspekte zu vernachlässigen.
Bei der Arbeit an der Story war die größte Überraschung eigentlich, dass es den in jeden Menschen implantierten Tötungschip, der in WOHLSTAND eine wichtige Rolle spielt, tatsächlich schon als Erfindung gibt und sich immer mal wieder Patentämter damit rumschlagen müssen. An dieser Stelle war ich doch schon etwas geschockt. Auch bei diversen anderen Zeitungsberichten war ich oftmals doch unangenehm überrascht, wie nah meine düstere Zukunftsvision eigentlich an der heutigen Lage in Deutschland und auch vielen anderen Ländern dran ist. Auch jetzt nach Veröffentlichung muss ich gerade das immer und immer wieder feststellen.
Wie oder warum hast du mit dem Zeichnen angefangen?
Eigentlich habe ich, wie viele Kinder, oft aus Langeweile vor mich hin gezeichnet. Ich hab nur einfach nie so richtig damit aufgehört. Auch habe ich schon recht früh das Tippen am Computer gelernt und eigene Geschichten geschrieben. Dabei merkte ich dann ziemlich schnell, dass mir das Aufschreiben einer Story nicht so die Befriedigung gab, die ich haben wollte. Wenn ich die Geschichten zeichnete, war das anderes. Ich hatte immer Bilder zu den Storys im Kopf, die erst „Ruhe gaben“, wenn ich sie aufs Papier brachte. So ist das auch heute immer noch, später kam dann noch das Bedürfnis hinzu, komplexe, kritische Storys wie WOHLSTAND zu entwickeln. Mir erscheint da persönlich der Comic als ein vielversprechendes Medium, der mit Bildern und Text gleichermaßen auf den Leser Einfluss nehmen kann.
Woran arbeitest du gerade?
Szene aus "Altersarmut" |
Was das normale Leben betrifft, werde ich demnächst mein Studium beenden und bereite mich parallel dazu schon auf den Berufseinstieg vor. Ich habe vor mich als Illustratorin und Comiczeichnerin selbstständig zu machen und da gibt es natürlich eine Menge, was getan werden muss.
Leuchttisch |
An der Zeit gemessen ziemlich wenig, ich verbringe unglaublich viel Zeit mit Zeichnen oder Zeichnen üben. Aber wenn doch „zocke“ ich total gerne, ich liebe Videospiele fast jeder Art. Auch gerne mit anderen und wenn nicht an der Konsole, dann klassisch mit Brettspielen. Und bei schönem Wetter gehe ich auch gerne raus. Ich glaube, wenn ich gerade nicht zeichne ist mein Leben doch eher ziemlich unspektakulär.
Das erste Comicheft, das du dir selbst gekauft hast, war:
Ich kann es nicht mehr ganz mit Sicherheit sagen, es kommen verschiedene in Frage. Ich schätze aber es war irgendein Comicalbum von Enrico Marini. Von meinen Eltern, besonders von meinem Vater, wurde ich netterweise schon früh mit Comicliteratur ausgestattet.
Wenn du dich für eine Woche in eine Comicfigur verwandeln könntest, wer würdest du dann sein?
Sehr schwierige Frage, vielleicht Garfield? Katzen haben es einfach gut. :-)
Alternativ würde ich sagen, meine eigene Comicfigur eines noch bevorstehenden Projekts, um mich mal richtig in die Rolle rein fühlen zu können und die Geschichte hinterher richtig gut erzählen zu können, wenn ich mich wieder zurück verwandelt habe.
Ausflug |
Es sind zu viele, um das einfach auf einige Favoriten zu begrenzen. Ich schaue in beinahe alles mal rein, vielfach Leseproben von Verlagen, oder auch in die Ergebnisse von Comic-Collabs, 24-Stunden-Comics oder eben Wettbewerben. Bei den User-Comics schaue ich immer wieder nach neuen, grafisch ansprechenden und traditionell kolorierten Werken oder ganz neuen, außergewöhnlichen Comicexperimenten.
Weitere Links + Interviews:
TeMeL im Web: Webseite + Facebook + Twitter
Weitere Interviews mit myComics-Wettbewerb Gewinnern gibt es hier: myComics-Interviews