Mittwoch, 14. Januar 2015

Interview mit Yinfinity ("Das kleine Ich")



"Ich weiss nicht, wann es begann. Immer, wenn ich mit dem kleinen Ich streite, bringt es mich hierher zum Dreiradrennen..."

Der aktuelle myComics-Wettbewerb Identity/Crisis drehte sich um das Thema Persönlichkeit, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Den dritten Platz gewann Yinfinity - aka Yi Luo - mit einer wahren Geschichte: "Das kleine Ich" .

Wie immer wollten wir mehr zu den Gewinner-Comics wissen, und haben Yinfinity zu "Das kleine Ich", ihrer eigenen Comic-Geschichte und zu aktuellen Projekten befragt:

Woher kam die Idee zur Story und Umsetzung von „Das kleine Ich“ ?

"Das kleine Ich“ ist entstanden im Rahmen des Comicprojekt der Hochschule Augsburg – Strichnin Comicwerkstatt 2011, wurde veröffentlicht in Comicmagazin Strichnin #4. Jede Ausgabe von Strichnin hat ein Thema, und bei #4 war „Fundstück“. Wir sollten etwas „finden“ und damit eine Geschichte ausdenken.

Kindheitsfoto

Meine Geschichte entstand aus zwei Fundstücken: ein Kindheitsfoto von mir als ich drei Jahre alt war, und ein Bild, das ich während meines Auslandsemesters(WS 2010/11) in Italien gemalt habe. Eines Tages saß ich einsam in meinem kleinem Zimmer im Studentenwohnheim in Urbino, hatte Heimweh, und blätterte mein Fotoalbum. Bei diesem Foto blieb ich hängen und sah es mir lange an. Die hässliche kleine Häuser mit Ziegelsteine gibt es jetzt schon nicht mehr, wurden bestimmt von Hochhäusern ersetzt, wie überall in China. In den Wohnungen, in den ich früher gewohnt habe, wohnt sicher schon lange fremde Familien. Sie sind nun nicht mehr die selbe sondern nur noch Teil meiner Vergangenheit. Traurig ist, dass ich mich an vieles aus meiner Vergangenheit nicht mehr erinnern kann. Sie ist wie das Kind auf dem Dreirad, sie läuft weg ohne einen Augenblick auf mich zu warten. An dem Abend habe ich lange geweint und dann das Bild gezeichnet.

Zeichnung aus ihrem Auslandssemester

Die beiden Fundstücke brachte mich zum Nachdenken über meine Kindheit, über mein Leben in Deutschland, über viele Sachen, unter anderem wie ich wieder anfangen habe, viel zu zeichnen. Und daher kommt die Geschichte "Das kleine Ich“.

In deinem letzten Wettbewerbcomic „The Sixth Year“ hast du auf englisch geschrieben, die Geschichte von „Das kleine Ich“ ist in deutsch. In welcher Sprache arbeitest du am liebsten, oder ist das jeweils von der Story selbst abhängig? Bist du auch bei englisch-sprachigen Comicplattformen?

Abgesehen davon dass ich am besten in Chinesisch spreche, arbeite ich am liebsten in Deutsch. Da ich jetzt sehr viel Deutsch spreche, denke ich für die kleine Geschichte automatisch in Deutsch. Aber ich schreibe zur Zeit öfter Comics auf Englisch, weil ich die auch meinen Freunden in China zeigen möchte. Daher ist „The Sixth Year“ auf Englisch. „Das kleine Ich“ ist noch früher entstanden, und war für ein Projekt an der FH. Deswegen auf Deutsch. Aber wenn ich jetzt daran denke, bin ich auch nicht mal auf die Idee gekommen, dass ich diese Geschichte auf Englisch erzählen könnte. Ich habe auch nicht mal gefragt, ob ich so machen darf. Wahrscheinlich weil mein Englisch damals schon viel schlechter als mein Deutsch geworden ist. *lach* Wobei ich find, dass es von der Geschichte her wirklich besser ist, „das kleine Ich“ in Deutsch zu erzählen.

Ausschnitt aus "Das kleine Ich"

Früher wollte ich immer dass meine Comics in richtigem Deutsch sind, war mein Comic-Arbeitsprozess ziemlich kompliziert. Ich schrieb die Geschichte zuerst auf Chinesisch, skizzierte ich den Comic analog. Dann übersetzte ich die Texte in Deutsch, setzte sie in die eingescannte Skizzen rein, und zeigte meinen Kolleginnen, meistens der Kathi, die auch Comics zeichnet und mit mir in der selben WG wohnt. Sie korrigierten meine Texte und machten sie schöner^^. Dieses Verfahren war ziemlich aufwändig und dauerte fast 3 mal so lang wie ein normaler deutschsprachiger Comiczeichner. Denn ich immer ewig brauchte, bis ich die Geschichte fertig übersetzte (mein Deutsch war viel schlechter). Und bei der Korrektur diskutierte ich auch viel mit Kathi, warum mein alte Ausdrückensweise nicht ging oder warum die neue besser war.

Vielleicht weil ich jetzt schon ein "alter Hase“ bin und denke „ach, man versteht mich schon, selbst wenn ich falsch schreibe, lalala“. Oder wie die Chinesen sagen, weil meine Gesichthaut viel dicker geworden ist (etwas ähnlich wie „unverschämt“ ^^). Auch weil so ein lange umständliche Arbeitsprozess sehr kontraproduktiv ist und auch viel Zeit von meinen deutschen Freunden wegnimmt, wenn ich jetzt kleine Comicstrips auf Deutsch schreibe, poste ich meistens einfach so in mein Blog, ohne sie korrigieren zu lassen. Aber, sollte die Comics gedruckt werden, wende ich mich doch noch an meine nette geduldige Mitbewohnerinnen.

Und nein, ich bin nicht bei englisch-sprachigen Comicplattformen.

Woran arbeitest du gerade?

Es gibt parallel einige Comics, die ich fertig zeichnen möchte…
vor allem:
1. „Box“. Es geht um eine mysteriöse Box, der ich eines Tages in unserer WG entdeckt habe. Es sollte bald die letzte Folge geben.
2. „In Berlin“, ist eine Comic-Serie, über ein paar kleine Sachen (mindestens 3), die ich in Berlin erlebt habe. Es gibt jetzt eine Folge und eine Intro zu lesen.

Ausschnitt aus "The Box"

Was sind Deine aktuellen Favoriten auf myComics?

Weil ich gerade viel unterwegs und beschäftigt bin, lese ich zur Zeit selten Comics auf myComics und kann leider diese Frage nicht beantworten, sorry.

Vielen Dank für das Interview!

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Weitere Links + Interviews:

Yinfinity bei myComics:
Roter Faden , Besuch , Das kleine Ich

Yinfinity im Web:
Website , Tumblr , Behance

Weitere Interviews mit myComics-Wettbewerb Gewinnern




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