Montag, 7. Juni 2010

Interview mit Sebastian Kempke + Dirk Jürgens ("Die Kinder von Rungholt")



Nachdem Sebastian Kempke und Dirk Jürgens beim Comic-Wettbewerb im Mai mit ihrer Wattenmeer-Horrorstory "Die Kinder von Rungholt" den ersten Platz gewannen, wollten wir mehr über den Comic und die Zusammenarbeit wissen, und haben die beiden interviewt. Das Interview enthält auch einige Comicseiten, wenn man auf die Seiten klickt, erscheinen sie in größerem Format.

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Woher kam die Idee zu „Die Kinder von Rungholt“?

Sebastian + Dirk: Der Comic entstand in einer Phase, in der wir die heimische Norddeutsche Geschichte nach unheimlichen Phänomenen und Legenden durchforsteten. Rungholt ist natürlich klassicher Stoff und uns war es wichtig, die richtige Stimmung zu erzeugen und das ganze filmisch zu Erzählen – auf gewisse Weise zeitlos zu sein wie die bedauerlichen „Gonger“-Filme auf Pro7, (die Jahre nach unserer Story kamen) die vollständig nach modernen Horrorfilmregeln spielten, es eben gerade nicht waren. Statt eines Gongers hätte das da jeder beliebige andere Geist sein können, aus der speziellen Mythologie wurde nichts gemacht.


Wie ergab sich die Zusammenarbeit zwischen Euch, und wie lief das gemeinsame Schreiben der Story ab?

Sebastian + Dirk: Wir arbeiten seit 2003 regelmäßig zusammen und haben uns während des Studiums in Kiel kennen gelernt. Manchmal hauen wir uns die Ideen nur so um die Ohren und oft kommt am Ende etwas dabei raus das größer ist, als die Summer der Ideen die wie beide beigesteuert haben. Aus diesem Grund schreiben wir immer wieder gerne zusammen.

„Die Kinder von Rungholt“ ist eigentlich die Spitze des Eisbergs einer komplexeren Story. Wir haben uns damals aber eine Kurzgeschichtensammlung namens „Der Spökenkieker“ zusammengestellt, in der wir „Rungholt“ als Comic dann als atmosphärisches Zugpferd eingeplant haben und so wurde das Ganze auf die Nebelwanderung reduziert, die es jetzt geworden ist. Die anderen beiden Stories waren reine Prosageschichten: „Mitternachtsvorstellung auf dem Kutter der Kuriositäten“ (Dirk) und „Moin Moin Mutanten“ (Sebastian). (Zu lesen auf weirdfiction.de)
Für „Die Kinder von Rungholt“ gab Dirk erst einige Scribbles vor, die ich dann umsetzte. Unangenehmerweise haben wir das Ganze erst zum Schluss betextet und das war gar nicht so leicht. Das passiert uns nicht noch mal!

Woran arbeitet ihr gerade?


Dirk: Neben einem weiteren Horrorkurzcomic mit Sebastian schreibe und zeichne ich seit mehreren Jahren meinen Webcomic „Strichmann“, der jeden Samstag beim Buddelfisch veröffentlicht wird. Diesen Sommer wird die Serie nach über vierhundert Seiten wohl zu Ende gehen, so dass ich derzeit nach Ideen für einen Nachfolger suche.

Sebastian: Ich bringe jede Woche meinen Webcomic „Spatzbrück“ raus und verwalte ganz nebenbei die kleine Comic-Kommune „Buddelfisch.de“.



Auf lange Sicht möchte ich gerne etwas zeichnen, das an meinen 24-Stunden-Comic „Der Frosch fliegt“ anschließt und möglicherweise auch Erzählungen aus meiner Zeit in China enthält. (Eine Mischung aus autobiographischen Episoden und fiktiven Kurzgeschichten). Ganz aktuell zeichne ich eine Kurzgeschichte über reptiloide Ausserirdische, die komplett im Stil der 80er entsteht!

Das erste Comicheft, das du dir selbst gekauft hast, war:

Sebastian: Ich hab im Kindergarten angefangen, Garfield-Magazine zu sammeln, aber eigentlich nicht wegen Garfield sondern wegen den Strips von „Orsons Farm“. Die hab ich geliebt!

Dirk: Puh…keinen blassen Schimmer!
Meine Comicsozialisation war eh recht merkwürdig, zwar habe ich als Kind Disney-Sachen und ähnliches gelesen, war aber sonst wenig daran interessiert. Auch, als ich im Laufe der Schulzeit selbst zu zeichnen anfing, las ich eigentlich keine Comics und traute dem Medium an sich auch nicht viel zu. Erst Sebastian zeigte mir dann später die Werke von Alan Moore, Neil Gaiman, Alex Ross und ähnlichen Klassikern, so dass ich sah, was in der „Neunten Kunst“ wirklich möglich ist.

Wenn du dich für eine Woche in eine Comicfigur verwandeln könntest, wer würdest du dann sein?

Dirk: Dagobert Duck! Ich würde am Ende der Woche eine gewaltige Überweisung an mich selbst vornehmen und wäre dann den Rest meines Lebens reich.

Sebastian: Lucien, der Bibliothekar aus Neil Gaimans „Sandman“ war immer ein Favorit! Er hat eine Bibliothek mit allen Büchern, die niemals geschrieben worden sind und soviel Zeit, wie man sich nur träumen kann. Und interessante Nachbarn.

Wann habt ihr mit dem Comicschreiben und Zeichnen angefangen, und wie kamt ihr dazu?

Sebastian: Ich habe im Kindergarten angefangen zu zeichnen. Das hat dann nicht mehr aufgehört.


Dirk: Den generellen Drang, Geschichten zu erzählen hatte ich eigentlich schon immer und da Filme zu aufwändig sind und Prosa nicht so stylisch ist, waren Comics trotz meines nicht gerade überwältigenden Zeichentalents wohl der sinnvollste Weg. Bis mir das aufging, dauerte es allerdings etwas. Eigentlich fing in der Schule nur an zu zeichnen, weil ich nicht lange zuhören kann, ohne meine Hände irgendwie zu beschäftigen und man durch dauerndes Kugelschreibergeklicke schnell unbeliebt wird. Aber irgendwie fiel mir dann später auf, dass ich meinen Erzähltrieb und Zeichenzwang gut kombinieren könnte.

Was macht ihr in eurer Freizeit wenn ihr weder an Comicgeschichten arbeitet, oder Comics lest?

Dirk: Interessante Hobbies habe ich eigentlich nicht (nun gut, ich hasse Katzen, aber das lässt sich auch wunderbar nebenbei erledigen), aber derzeit versuche ich, mich als Autor auch in die Independent-Filmszene zu drängen. Mit unserem gemeinsamen Freund Lukas Jötten (nebenbei mein Koautor des gerade ruhenden Webcomics „Perlen vor die Säue“) habe ich im letzten Jahr das Dialogbuch des Experimentalfilms „Zombie 09“ geschrieben und bin ebenfalls mit ihm zusammen gerade an einem „richtigen“ Drehbuch für eine Actionkomödie zugange. Über letzteres darf ich leider noch nichts näheres verraten, da es eine Auftragsarbeit ist. Für interessierte empfehle ich Lukas’
Website http://www.sonderland.org/ - da wird’s wohl übrigens auch vereinzelt Comics von mir geben. (Nicht mit Sebastians Webseite StudioSonderland.com verwechseln!)

Sebastian: Bücher, Filme, Videospiele – wenn ich viel Zeit hätte, dann würde ich bestimmt wieder mit Modellbau anfangen. Ich würde bestimmt auch wieder mein Chinesisch auffrischen, das habe ich nämlich mal studiert. ABER der Tag hat ja nur 24 Stunden! Mein Bruder hat ein neues Adventure-Game namens "What makes you tick: A Stitch in Time" produziert, zu dem ich die meisten Figuren und ein paar Animationen beigesteuert habe. Bei sowas kann man viel dazulernen.

Danke für das Interview!

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