"Todesangst? Quatsch Beschützerinstinkt..."
Der aktuelle myComics-Wettbewerb Identity/Crisis drehte sich um das Thema Persönlichkeit, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Mit ihrem Comic "Instinkt" geht Helen Aerni in einem 24h-Comic auf das Thema Beschützerinstink ein und erreichte damit den ersten Platz.
Wie immer wollten wir mehr zu den Gewinner-Comics wissen, und haben Helen Aerni zu "Instinkt", ihrer eigenen Comic-Geschichte und zu aktuellen Projekten befragt:
Woher kam die Idee zu deinem Comic „Instinkt“?
„Instinkt“ ist ein Fragment meines Webcomics und auch die Vorgeschichte zum Chibi "Die Spur". Ich wollte dem Charakter Andi noch etwas mehr Hintergrund verleihen und zeigen unter welchem Druck sie steht. Ich entwickle Geschichten in der Regel vom Charakter ausgehend. Andi definiert sich vor allem durch ihren Beschützerinstinkt. Sie hat auf der Strasse aber auch gelernt zu überleben und ist vielleicht doch etwas zu fasziniert von der Gefahr, welche da lauert. Die Szenen entstanden daher relativ spontan am 24 Stunden Comictag.
Cover zum Webcomic "Fragmente" |
Dein Comic „Instinkt“ ist bei einem 24 Stunden Comictag entstanden. Was sind deine persönlichen Erfahrungen und Eindrücke von den 24-Stunden Comictagen?
Ich finde die Atmosphäre toll, wenn wie in Winterthur um die 60 Zeichner an der Arbeit sind. Leider fehlt mir jeweils die Zeit durch den Raum zu schlendern und all die unterschiedlichen Zeichner und Stile zu bewundern. Am Schluss werden die fertigen Geschichten als Hefte ausgelegt, wo ich den einen oder anderen Comic doch noch zu lesen bekomme.
Eigentlich sollte man ja unvorbereitet an die 24 Seiten des Comics herangehen, aber wenn ich die Zeit investiere, will ich doch mit einer Idee als Ausgangslage starten. Ich bewundere die Leute, die einfach loszeichnen können, aber auch diejenigen, die weniger Comics zeichnen sondern eher aus der Illustration kommen und dann was ganz eigenes schaffen. Ich falle unter Zeitdruck in meine Komfortzone zurück und mache möglichst nur das, was ich kann. Auch nach ein paar Jahren Erfahrung bin ich immer wieder unsicher, ob ich es schaffe, bzw. ob ich die Qualität der ersten Seite bis zur letzten konsequent durchziehen kann. Nach ein paar Stunden Arbeit finde ich dann allerdings in den Flow, wonach es einfacher vorwärts geht. Für mich ist das eher eine aussergewöhnliche Erfahrung, da ich selten so lange am Stück arbeite. Gegen den Morgen kommt schliesslich die Müdigkeitskrise und die schmerzende Hand, wo es einfach ums durchhalten geht. Mit dem Aufgehen der Sonne fühle ich mich dann wieder etwas fitter und kann nochmals die Energie sammeln, um dem Endspurt entgegenzutreten.
Ausschnitt aus "Erinnerungsstücke" |
Welche Tipps würdest du andere für die Teilnahme an einem 24-Stunden Comictag geben?
Ausgeruht kommen und eine Technik wählen, die einem liegt. Ich persönlich habe für mich die blauen Vorzeichnungen entdeckt. Das spart Radierzeit und ich zeichne viel freier, wenn ich einen blauen Buntstift in den Fingern habe, als einen Bleistift. Man sollte sich auch nicht zu viel Druck machen. Am besten setzt man sich als Ziel die 24 Stunden durchzuhalten, statt jedes Panel perfekt gestalten zu wollen. Fehler korrigieren oder Details ergänzen kann man auch später, wenn noch Zeit übrig bleibt. Lieber fliessen lassen, oft kommen dabei die bessere Zeichnungen raus, als man erwartet hätte.
Wann hast du mit dem Comiczeichnen angefangen, und wie kamst du dazu?
Comics habe ich ca. mit 8 Jahren entdeckt und weil ich damals schon gerne zeichnete, habe ich natürlich auch die Figuren abgezeichnet. Ich habe 3 Seiten von einem Lucky Luke Comic gezeichnet, in denen es darum ging, wie Jolly Jumper sich verliebt. Allerdings hatte ich die Geschichte nicht wirklich zu Ende gedacht, geschweige denn jemals weiter gezeichnet. Danach wurden meine Ansprüche an mich selbst zu hoch, als dass ich dazumal einen Comic angefangen hätte, obwohl ich immer wieder an Ideen bastelte. Mit 16 entdeckte ich schliesslich Mangas und Animexx. Die Doujinshis (Fancomics) auf Animexx motivierten mich doch anzufangen und die Geschichten zu veröffentlichen, auch wenn sie nicht auf einem professionellen Level waren. Das ich dann LeserInnen hatte und Rückmeldungen erhielt, gab mir die Motivation weiter dranzubleiben.
Das erste Comicheft, das du dir selbst gekauft hast, war:
Das müsste ein Arielle Heft gewesen sein. Die anderen Comics, die ich las, gab es in der Bibliothek (Tim & Struppi, Asterix, Lucky Luke und Yoko Tsuno).
Woran arbeitest du gerade?
An den Webcomics „Fragmente“ und „Fuchsteufelswild“, die eigentlich zusammen gehören. Das zweite, aktuelle Projekt ist mit einem Autor und einer Band zusammen und soll ein Konzert ergeben, das eine Geschichte in Songs und projizierten Comics erzählt.
Cover zu "Fuchsteufelswild" |
Was sind deine aktuellen Favoriten auf myComics?
„Send in the Clouds“ und „Das kleine Ich“ die auch im Wettbewerb waren, finde ich toll. „Daneben“ von Tacaret und die Geschichten von Nadia Bader gefallen mir auch sehr gut. Vor allem finde ich es toll, dass es auf myComics so viele unterschiedliche Stile und Geschichten gibt. Da kann ich zwischendurch einfach etwas surfen und mich inspirieren lassen.
Vielen Dank für das Interview!
Helen Aerni Ausstellung
Im Februar stellt das Kulturzentrum Alten Kaserne in Winterthur Helen Aerni vor! Mehr dazu auf der Webseite des Kulturzentrums:
Comics, Cartoons & Karikaturen im Bistro: HELEN AERNI – COMIC FRAGMENTE
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Weitere Links + Interviews:
Helene Aerni bei myComics:
Instinkt , Realitätssinn , Zigarettenpause
Helene Aerni im Web:
Website , Facebook
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