"Krudes Zeug" - betitelt Walterscheid seine "Schwarze Tage"- Webcomics. Sein erster Beitrag auf myComics war "
Vaterfreuden" - das war im März 2012. Seitdem gingen über 50 Beiträge von ihm online, darunter auch eine Serie von Vaterfreuden der außerirdischen Art:
"Lady Grey und Bär bekommen Nachwuchs. Ganz ehrlich! Ich kann nur jedem empfehlen, sich ebenfalls ein Bärlien nach Hause zu holen! Es ist knuffig, weichfellig, schmusig, “a boneless pile of fur”.
Der erste Auftritt des Bärliens ins Comicform war "BÄRLIENS Birthday - Schwarze Tage", und war auch einer der Beiträge, die für den myComics-Einseiter-Wettbewerb ausgewählt wurden.
Beim Wettbewerb wurde es dann richtig spannend, zur Halbzeit lagen
Walterscheids "Bärlien" zusammen mit
LiddlBuddhas "Im Netz der Spinne" gemeinsam auf Platz 1, und eine ganze Zeit sah es so aus, als würde dies der erste Wettbewerb mit doppeltem ersten Platz. Am Ende hat das Bärlien gesiegt - was dann zu dieser Szene mit Lady Grey führte:
Nachdem der Kronleuchter dann glücklicherweise doch hielt, haben wir Walterscheid zu seinen "Schwarzen Tagen", seiner eigenen Comicgeschichte und seinen aktuellen Projekten interviewt:
Woher kam die Idee zu „Bärliens Birthday“ beziehungsweise zu der Serie der Bärliens-Episoden?
Wie alle Ideen. Sie war einfach da. Meine Freundin und ich werfen uns ständig kleine Schnipsel hin und her, eine Bemerkung über das Wetter, irgend etwas. „Hey, die Eier, die du vorgestern wegwerfen wolltest, haben gerade ihre Unabhängigkeitserklärung verkündet…“ - so was. Daraus wachsen dann Geschichten. Offensichtlich sind wir beide Fans von ALIEN. „Bär bekommt ein Bärlien und Grey ist die Hebamme!“ „Oh, und es frisst Zalando-Boten, lässt aber die Pakete heil…“ Die gesamte Bärlienstory bis zur traurigen Trennung war in etwa zehn Minuten fertig, inklusive aller Dialoge.
Es ist wie Atmen. Da kommt an einem Abend manchmal genug für ein ganzes Album zusammen. Wir ergänzen uns da auf das Vortrefflichste. Ich sehe mehr die Bilder, die Einstellungen und die Farben vor mir. Sie hat das Gespür für die Beziehungen untereinander, die Dialoge, das, was unsere Viecher antreibt.
Leider kürze ich diese Geschichten dann immer bis auf einige Gags zusammen, um wenigstens einmal die Woche einen Strip hoch laden zu können und mit einer Idee vor dem nächsten Winter fertig zu werden. Aber übers Bärlien würde ich gerne mehr erzählen. Ich glaube, der kleine Kerl hat noch einen weiten Weg vor sich. Wer hätte denn nicht gerne ein kleines Bärlien zuhause?
In deinem Comicblog „Schwarze Tage“ schreibst du: „Dieses Blog begann als krude Aneinanderreihung verschiedener wirrer Ideen und Cartoons, nimmt aber mehr und mehr den Raum eines latentpseudosemiautobiographischen Tagebuchs ein.“ – seit wann gibt es die Schwarzen Tage, und wie haben sie sich im Lauf der Zeit entwickelt? Und wie schwierig es ist, „Muhtiger“ zu sein?
SCHWARZE TAGE gibt es seit 2006 in Form von Cartoons, von denen einige der etwas Besseren auf schwarzschrift.de überlebt haben, nachdem ich das ganze Konzept vor einiger Zeit umgeworfen habe und dabei auch von blogger.de auf Wordpress umgezogen bin.
Warum? Wegen LADY GREY. Dieses Schaf war plötzlich da und bestand darauf, ihre Lebensgeschichte gezeichnet zu bekommen. Nicht in Cartoons, sondern bitte gleich in mehreren epischen, großformatigen Hardcoveralben.
Weil die aber viel Zeit brauchen, musste eine Interimslösung her. Also hat es successive an der Verdrängung aller anderen störenden Elemente um sich herum gearbeitet. Erst flogen die Cartoons raus, daraufhin gab es kleine Episoden mit Schaf und geduldeten „Freunden“, weil niemand, nicht mal das Schaf, gerne alleine ist.
Mittlerweile handelt SCHWARZE TAGE vom „Muhtiger“, dem streifenlosen, ängstlichen Tiger, der zusammen mit dem blinden, pyromanischen Puma, dem winterschlafresistenten Bär und eben Lady Grey in der WG im vierten Stock lebt.
Ich betrachte den „Muhtiger“ als mein Alter Ego und eine gute Methode, mit den eigenen Ängsten und Gefühlen umzugehen. Er wäre halt so gerne ein richtiger Tiger, eine mutige Raubkatze, das arme streifenfreie Kätzchen, muss aber eines Tages feststellen, dass er keine Streifen, sondern Kuhflecken bekommt. Dumm gelaufen, aber man muss es halt nun mal nehmen, wie’s kommt. So wird er immer “muhtiger“ und sein Puma wird ihn meistens auch vor dem Schaf beschützen.
Wie schwierig es ist, „Muhtiger“ zu sein?
Jeder Tiger da draußen, der ohne Streifen durch die Welt laufen muss und sich trotzdem nicht unterkriegen lässt, wird die Frage beantworten können.
Woran arbeitest du gerade?
Auf meinem Tisch liegen meine Seiten für
U-Comix, dem Steff Murschetz im Frühjahr wieder neues Leben einhaucht. Danach leiste ich Überzeugungsarbeit beim Team von JAZAM, um in die nächste Ausgabe, die auch im Mai erscheint, aufgenommen zu werden.
Im Sommer wird es neben der oben erwähnten LADY GREY auch das SCHWARZE TAGE ANTI-ANGST BUCH „SEI ENDLICH MUHTIGER“ geben. Der Muhtiger beschreibt darin Ängste und Möglichkeiten, mit ihnen fertig zu werden.
Ich arbeite daneben gerade daran, die Webcomics lady-grey.de und schwarzetage.de zu verbinden. SCHWARZE TAGE erzählt von den Erlebnissen der WG im vierten Stock rund um den Muhtiger. Dieser wird von Lady Grey genötigt, ihre Kindheitserinnerungen aufzuzeichnen, die wiederum in LADY GREY erscheinen. Webcomics mit Metaebenen, sozusagen.
Währenddessen erscheint jeden Dienstag ein neuer Strip auf www.schwarzetage.de und alle zwei Wochen ein neuer VATERFREUDEN auf
www.schwarzschrift.de...
ohne Kaffe wäre es echt schwer.
Wann hast du mit dem Comicschreiben und Zeichnen angefangen, und wie kamst du dazu?
Ich war in meinen ersten Jahren blind wie ein Maulwurf. Ich war verdammt kurzsichtig, bin ich auch heute noch, mein Augenarzt ein inkompetenter Idiot und ich torkelte mit den falschen Stärken in der Brille einige Jahre durch dichten Nebel. Dann kam ich zu einem anderen Augenarzt, der setzte mir andere Gläser auf und danach soll ich mich umgesehen und gesagt haben: „JETZT KANN ICH SEHEN!“ Warmes helles Licht, Engelschor. Das bezeugt zumindest unsere Familiengeschichte. Ich habe danach alles nachgeholt, viel rumgemalt und war auch recht talentiert. Meine Interpretation der Kreuzigungsszene aus dem Streifen mit Charlton Heston auf unserem Küchentisch kam damals weniger gut an. Sie wussten es nicht besser…
Ich wäre wohl ein leidlicher Kunstmaler oder Grafiker geworden, bekam ein Stipendium an einer Kunsthochschule, war jung, blöd und dünnhäutig und habe in einer Zeit der persönlichen Krise Bilder, Materialien, alles, was so rum lag, verbrannt. Schluss mit Kreativität und Kunst, basta. Danach habe ich etwa zehn Jahre Stifte ausschließlich zum Schreiben und Rückenkratzen verwendet und dafür anständige Dinge gemacht..
2006 machte ich mich als Illustrator selbstständig, wovon ich scheint’s wider Erwarten sogar leben kann und fing an, Cartoons, Comics und anderes krudes Zeug zu zeichnen.
Das erste Comicheft, das du dir selbst gekauft hast, war:
Walt Disneys Lustiges Taschenbuch Nr.42 „Micky denkt am schnellsten“. Ich habe es wohl einige hundert Mal durchgelesen, jedenfalls kommt es mir in der Erinnerung so vor. Dann war es irgendwann weg, wie alle meine Comics. Das Konzept des Sammelns war mir damals unbekannt. Wozu auch? Es kamen ja immer neue Hefte raus. Hätte ich sie alle noch, lägen heute Hefte im Wert eines BAFÖG Kredites bei mir im Schrank. Das man uns erlaubt hat, die Dinger mit dreckigen Fingern zu lesen und dann unters Bett zu werfen. Da haben unsere Eltern doch versagt.
Das Lustige Taschenbuch habe ich mir auf der letzten Intercomic in Köln ein zweites Mal gekauft. Ein Moment voller bittersüßer Melancholie. Eine spießige, selbstgerechte Maus mit einer Affinität zum Kapitalismus, dem Hang, ihren alternativ begabten Kumpel vor anderen bloß zu stellen und eine Umwelt, in der Vorurteile und so ein bissel sauberer, antiseptischer Sexismus zum Alltag gehören. Diese Comics wären Material für den Comic Code gewesen. Die waren für mich auf ihre subtile Weise prägender, zumal ich sie viel jünger gelesen habe, als jedes U-Comix oder Schwermetallheft.
Später habe ich erst gemerkt, dass mich die Comics aus dieser Zeit noch viel stärker beeinflusst haben. Ich dachte ja immer, als halber Autodidakt wäre ich weitgehend frei von Einflüssen und Beschränkungen, bis ich dieses spezielle Taschenbuch durchgeblättert habe. Die Art und Weise, wie ich Panels anlege, Räume aufteile, Perspektiven verwende, die ganze Story angehe - alles ist aus diesen alten Heften übernommen. Ich habe unbewusst das wiederholt, was mich damals beeindruckt hat. Das ist nicht unbedingt schlecht, hat mir aber gezeigt, das ich nicht in einem kreativen Vakuum groß geworden bin, nichts selbstständig entwickelt oder neu erfunden, sondern das, was ich kannte, lediglich auf meine Weise adaptiert habe.
Wenn du dich für eine Woche in eine Comicfigur verwandeln könntest, wer würdest du dann sein?
Kommt drauf an, was die Woche so ansteht. Frühjahrsputz? Dann Reed Richards. Bei einem Umzug wohl eher Ben Grimm und morgens in der Bahn, oder wenn ich die Nachrichten höre, vielleicht auch mal der Punisher.
Obwohl… Ich glaube, ich möchte für eine Woche als der Raumvermesser durch die Welten von Möbius ziehen. Über die Länder und Meere fliegen, wunderschöne, großartige und furchterregende Dinge sehen.
Nein, im Ernst. Ich wäre gerne mehr wie Lady Grey. Einfach mal den Nachbarn die Türen zuschrauben und Wölfe verhauen. Dann bekäme ich auch mal eine Tasse Kaffe ab.
Was sind Deine aktuellen Favoriten auf myComics?
Obwohl sie beide leider nur sehr wenig auf myComics online gestellt haben, finde ich die Arbeiten von Ralf Marczinczik und Jakob Werth beeindruckend.
Dann bin ich ein großer Fan von „Kusubi“ Marcus Rulf. Seine Teddy&Dose Reihe ist für mich reine Philosophie.
Der Dogtari stellt jeden Tag - JEDEN Tag - einen neuen, wunderbaren Cartoon auf seinen Blog und viele davon auch auf myComics. Seht euch mal an, wie er Regen und Schnee zeichnet…
Danke für das Interview!
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