Sterben will gelernt sein: myComics-Mitglied Schwarwel arbeitet an einem neuen Comicprojekt, bei der es um eines der großen Themen der Menschheit geht: den Umgang mit dem Sterben und dem Tod.
Die Graphic Novel „Gevatter – Sterben will gelernt sein“ von Schwarwel ist eine autobiografische Erzählung, in der uns der Autor und Zeichner mitnimmt auf eine Reise in seine Innenwelt und seine Erinnerungen, um uns an seiner ureigenen Auseinandersetzung mit dem Sterben und dem Tod und seinen Ängsten davor teilhaben zu lassen.
In packenden, einfühlsamen Bildfolgen wirbt der Autor für eine angemessene Sterbekultur und dafür, dem Tod seinen berechtigten Platz in unserem Leben einzuräumen: als würdevolles Ende des eigenen Seins ebenso wie als Motivator, die wertvolle Zeit davor gut und sinnvoll zu nutzen, statt sie verschwenderisch verstreichen zu lassen als gäbe es kein Morgen.
Dabei gibt Schwarwel viel von sich selbst preis und lässt tief blicken – in seine klinische Depression, in seine bezwungene Alkoholsucht, in seine Angstneurose –, denn auf diese Weise werden seine Gedanken nachvollziehbar, erlebbar und aus dem Gevatter Tod als grimmen Schnitter und diffuse Angsgestalt wird ein facettenreiches Mosaik der Endlichkeit, das wir zwar niemals überwinden können, mit dem es uns aber gelingen kann, bewusster zu leben.
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Leseprobe online!
Auf myComics ist eine Leseprobe der ersten Ausgabe online:
Schwarwel: Gevatter - Kapitel 1: Verleugnung
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Interview und Dokumentation
Mehr zum Projekt - mit interessanten Infos und einem langen, mehrteiligen Interview - gibt es auf der Webseite von Schwarwel:
Gevatter - Dokumentation
Hier direkt einige Ausschnitt aus dem Interview, bei dem es um das Medium Comic geht, und um die Arbeit und das Leben als Comiczeichner, die Comicszene, Vorbilder …
Um was genau geht es in „Gevatter“?
Die Geschichte handelt vom Aufwachsen meines Alter Ego Tim und seinem gleichzeitigen Begreifen der eigenen als auch der allumfassenden Endlichkeit – was bei mir persönlich mit sehr viel Angst, Unsicherheit und Irritation verbunden war. Ich möchte die Leser*innen einladen auf eine Berg- und Talfahrt durch meine Ängste und Neurosen als Beispiel dafür, wie mensch eben mit den großen Themen umgeht und sie anzupacken lernt in der Hoffnung, die Rezipienten erkennen etwas davon in sich wieder und bekommen damit vielleicht auch einen klareren Zugang zu ihrer eigenen Vergänglichkeit und dem Wert, den das Leben dadurch bekommt. Vorausgesetzt, sie sind nicht sowieso schon mit sich im Reinen, was ich jedem nur wünschen kann … Depression, Alkohol und Traumata spielen genauso eine Rolle wie das Streben meines Protagonisten nach künstlerischem Ausdruck in Musik, Comics und Kunst, was für mich natürlich untrennbar miteinander verbunden ist.
Wie ist der Aufbau, die Gestaltung und das Design? Arbeitest du wieder mit realistische Figuren und Handlungsorten sowie Bildern, in denen viel Inhalt steckt und passiert – Markenzeichen von dir …?
Graphic Novel klingt immer recht hochgestochen, als Comiczeichner habe ich mit der Begrifflichkeit natürlich irgendwie ein Problem. Für „Gevatter“ habe ich mich deshalb an den beiden Werken orientiert, die den Begriff allgemein definiert haben: Will Eisners „A Contract with God“ und Alan Moores und Dave Gibbons „Watchmen“. Bei Eisner finde ich die auf Natürlichkeit angelegte Dialogführung ganz großartig, weil sie sich real anfühlt, und von „Watchmen“ habe ich die strenge Einzelbildeinteilung übernommen, die auf einem klaren Neun-Bilder-pro-Seite-Raster, Drei-Bilder-Pro-Zeile beruht. Mit dieser Einteilung komme ich wunderbar klar, weil sie ein rhythmisches Erzählen gestattet, das mir sehr entgegenkommt. Größere Bilder wie Establishing Shots kann man dramaturgisch gut eintakten, ohne dass es nach alberner Superhelden-Action aussieht und Rückblenden kann ich einfach mit gewellten Panelframes ausdrücken.
Stilistisch orientiere ich mich bei dieser Schwarz-Weiß-Geschichte natürlich an Vorbildern wie Charles Burns, Mike Mignola, Frank Miller oder Daniel Clowes – kontrastreiche, solide Bilder, in denen die feinen Linien der realistisch angelegten Figuren nicht zu kurz kommen – was sicher wie ein Haufen Arbeit klingt. Ist es auch. Und es macht sehr große Freude beim Zeichnen.
Wie gehören für dich Comic, Trickfilm und Musik zusammen? Was bedeuten sie für dich als Künstler und in deinen eigenen Werken?
Comic, Trickfilm und Musik sind als Erzählmedien meine drei großen Vorlieben, die für mich immer irgendwie zusammengehören, da alle drei dieser Ausdrucksformen – zusammen mit dem Realfilm – auf Rhythmus und Melodie basieren, auf Dynamik, rauf und runter, hoch und tief, auf das Vergehen von Zeit, während sich eine Handlung oder Geschichte entwickelt und man im Idealfall am Ende schlauer ist als vorher.
Das lässt sich natürlich auch auf Einzelillustrationen, Karikaturen oder Bücher herunterbrechen …
Für mich ist das alles eine Soße, nur mit verschiedenen Ausprägungen in Geschmack und Sämigkeit und es kommt nur immer darauf an, was gerade umgesetzt werden soll, wie die Aufgabenstellung ist, um zu sehen, für welches Medium man sich letztlich entscheidet.
Da ich als Knirps zu großen Teilen durch Westcomics und Westmusik sozialisiert wurde – die verbotenen oder schwer erreichbaren Früchte sind eben immer viel reizvoller als das Gemüse im eigenen DDR-Garten –, wollte ich eben unbedingt Comics machen. Klassische Illustration, Grafik, Malerei und Buchgestaltung haben mich zwar auch interessiert und tun es noch, aber wirklich eingetaucht bin ich nur in Marvelcomics, Asterixhefte oder die Abenteuer von Spirou und Fantasio, die ich noch als Pit und Pikkolo kennengelernt habe.
Das komplette Inteview ist hier online:
Schwarwel Interview zu "Gevatter"
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