Im Juni fand bei myComics ein 12-Stunden Comic Tag statt - das Thema für den Tag war "Schirm". Die Stories, die bei diesem kreativen Zeichenmarathon entstanden, waren beeindruckend und vielseitig, und eigentlich hätten alle schon für die Nerven und Ausdauer einen Preis verdient. Im myComics-Wettbewerb zum 12-Stunden-Tag ging es dann in die nächste Runde - diesmal waren die Leser am Zug. Mit seinem bewegenden Comic "Mutters gelber Schirm", der ohne Worte und Erklärung auskommt, und dabei Fantasie und Zeitgeschichte unerwartet und überzeugend verknüpft, kam David Füleki dabei besonders gut an - er erreichte den ersten Platz im Wettbewerb.
Wie immer wollten wir mehr zu den Gewinner-Comics wissen, und haben David Füleki zu seinem Comic und zu aktuellen Projekten befragt:
Woher kam die Idee zu deinem 12 Stunden Comic „Mutters gelber Schirm“?
Das lief dieses Mal erstaunlich schnell und automatisch ab. Mein erster Gedanke, als ich das Thema gesehen hab, war: Häh? Niemals nie fällt mir dazu etwas – und zack: drei Ideen. Die erste Idee wäre in Richtung meines 2012er MyComics-12h-Wettbewerbs-Beitrags gegangen. Damals hab ich mit einem Comic teilgenommen, der zwei Figuren aus meinem Manga „Struwwelpeter: Die Rückkehr“ als Erwachsene gezeigt hat. Eine Nebenfigur aus dem Titel ist der fliegende Robert, der ja in der Kinderbuch-Vorlage vom Struwwelpeter auch mit einem Schirm abzwitschert. Daher der Gedanke, den Robert noch mal auszubuddeln und ihn ein Abenteuer erleben zu lassen, bei dem er mit seinem Regenschirm vom Wind mitgerissen wird und irgendwas Verrücktes über den Wolken erlebt. Wäre wohl eher wieder eine Gag-Parade geworden und irgendwie wollte ich das dieses Mal nicht. Bei solchen Challenges isses immer wieder reizvoll, mal von seinen gewohnten Pfaden auszubrechen.
Ausschnitt aus dem 2012er Wettbewerbs-Beitrag
von David Füleki, mehr dazu hier: Interview 2012)
Als zweite Idee kam mir was mit einem Banken-Rettungsschirm. Das war tatsächlich auch schon eine ganz gute, final durchdachte Kurzgeschichte in einem Kinderbuch-artigen Stil, bei der ich letztlich aber zu viel Bedenken hatte, dass sie zu metaphorisch gerät und man das Thema Schirm vielleicht nicht mehr so gut rausliest. Da sollten auch Riesen und ein tapferer kleiner Abenteurer drin vorkommen, die aber eigentlich für was ganz anderes standen. Das dritte und schließlich umgesetzte Konzept ist im Prinzip eine Mischung der beiden ersten. Das Motiv des Davonfliegens aus der Robert-Idee und das ernstere Metaphorische der Rettungsschirm-Story sowie deren kinderbuchiger Stil. Im Gegensatz zu meinem 2012er-Sieger-Beitrag wusste ich dieses Jahr übrigens gleich von Beginn, wohin die Geschichte führt, was mich selbst überrascht hat.
Welche Tipps würdest du anderen für so eine Comic-Marathon-Zeichen-Aktion geben ?
Als ich 2012 zum ersten Mal an so einer Aktion teilgenommen hab (wie gesagt: der MyComics-Wettbewerb), hab ich gemerkt, dass man sich zeichnerisch zurückhalten und z.B. auf komplizierte Stadtansichten verzichten sollte. Mittlerweile hab ich an fünf solcher Aktionen teilgenommen und jedes Mal komplizierte Stadtansichten drin gehabt. Ergo Zeitnot und sinnloser Stress auf den letzten Metern. Null Lerneffekt so weit, aber dieses Mal gab es einen entscheidenden Vorteil: Ich hab es bei den Bleistiftzeichnungen belassen. War ungewohnt, da ich das nie so mach, aber als ich einen Stil gefunden hatte, der das Medium Bleistift legitimierte, gab es direkt so einen enormen Geschwindigkeitsboost, dass ich sogar deutlich vor der Deadline fertig war.
Ausschnitt aus "Mutters gelber Schirm" |
Woran arbeitest du gerade?
Dieses Jahr will ich erstmals auf der Comiket in Tokyo signieren; dafür bastel ich noch fix ein paar Special Editions einiger Werke; auch ein Heft zu „Mutters gelber Schirm“ – passt ja mit der Textlosigkeit als international verständliche Geschichte. Dafür hab ich die zwölf Seiten übrigens noch mal stark gestreckt. Der Comic ist jetzt fast doppelt so lang und hat zwei Szenen dazu gewonnen, die ich aus Platz- und Zeitgründen in der Ursprungsversion streichen musste, obwohl sie fest eingeplant waren.
Mein aktuelles Hauptprojekt ist eine Abenteuergeschichte, die über einem gigantischen Wolkenmeer spielt und von einem Jungen handelt, der mit einer digitalen Handprothese mit eigenem Willen gegen die apokalyptischen Reiter kämpft, die wie eine Naturgewalt über die letzten Bastionen der postapokalyptischen Menschheit hinwegfegen. Das Übliche halt. Nebenbei zeichne ich noch den wöchentlichen „Der Schlaufuchs“-Comic für die Fuldaer Zeitung (in Kooperation mit dem Andi Völlinger und der Susan Burdack) sowie allerhand Entoman-Kurzgeschichten sowie den zweiten Teil meines ambitionierten Web-Comic-Epos „Infamous Justice Force Strikers“. Alles in allem wieder viel zu viel und nie wird was fertig. Bin aber auch langsam geworden im Alter … Die erste Seite des aktuellsten Entoman-Abenteuers, wo der Super-Erpel gegen akutes Nierenversagen in den Krieg zieht, gibt es übrigens auf myComics in der JAZAM! X-Leseprobe zu sehn.
Cover von „Infamous Justice Force Strikers“ |
Dein Manga „78 TAGE AUF DER STRASSE DES HASSES“ hat dieses Jahr beim Comicfestival München den Preis für den besten deutschsprachigen Manga erhalten – Glückwunsch! Könntest du etwas mehr dazu erzählen, zum Manga, und auch zur Preisverleihung?
Also erst mal zur Preisverleihung an sich: Da hat der Lars von Törne für den Tagesspiegel eine schöne Zusammenfassung runtergeschrieben. Unter „P wie Preisverleihung“ kann man dazu was nachlesen.
Für mich war es insofern eine interessante Erfahrung, weil ich bei all den Preisen noch nie einen auf so einer großen Bühne entgegen nehmen durfte. Normalerweise werden Comic-Auszeichnungen ja eher zwischen Damentoilette und Notausgang oder neben der Bäckerei Kamps am Südbahnhof verliehen, aber in München hat man da schon ordentlich was aufgezogen. Da fühlt man sich als Comicschaffender schon irgendwie gewertschätzt. Leider gab es nach der Preisverleihung kein Freibier, wie es uns im Vorfeld versprochen wurde. Da sind viele Größen der internationalen Graphic Novel-Szene arg geknickt und durstig zu ihren Hotels zurück getrottet.
Zum Titel: „78 Tage auf der Straße des Hasses“ (oder kurz: "78 Tage" basiert ja auf Konzepten und Figuren, die ich bereits Anfang des Jahrtausends gekritzelt hab – noch zu Schulzeiten. Die Serie an sich läuft nun seit 2008, wo die ersten Hefte noch in miesester Copyshop-Qualität bei Delfinium Prints erschienen sind – ein Verlag, den ich extra mit zwei Kumpels dafür gegründet hatte (und den es zur Überraschung aller immer noch gibt). Für mich is das also eine sehr persönliche Geschichte, die bei all der oberflächlichen Gewaltdarstellung, dem vermeintlichen plakativen Sexismus und dem Fäkalhumor doch auch sehr viel Subtext liefert. Da gibt es allerhand auf der Meta-Ebene zu interpretieren. Wer alle Zeichen richtig deutet, kann mir also ganz tief in mein kleines, zerbrechliches Herz reingucken. Es gibt aber auch viele dumme Witze, die wirklich nur dumme Witze sind. Generell freut mich, dass immer mehr Rezipienten langsam erkennen, dass die Serie Satire ist, die verschiedene Ebenen bedient. Leser mit niederen Bedürfnissen (Splatter, Sex und Pokémon) können sich das also reinziehen und eine Menge Spaß mit dem Brachialhumor und der Zombie-Action haben, ganz schlaue Leser mit Doktor in Nerdologie können es lesen und ganz viele popkulturelle Referenzen rausfiltern und sich intellektuell geil fühlen. Ich denk, das war auch letztlich der Punkt, weshalb das Teil den PENG!-Preis bekommen hat – weil da Pokémon-Referenzen drin vorkommen.
Hier gehts zur Leseprobe |
Jetzt hoff ich mal, dass noch ein paar Leserinnen und Leser dazu kommen, der erste Story Arc ist nun nach sieben Jahren Arbeit und etwa 700 gezeichneten Seiten auch endlich mal abgeschlossen. Noch ein kleiner Funfact: Im ersten Band von „78 Tage“ (erschienen bei TOKYOPOP) kann man nicht nur die oben erwähnte Entstehungsgeschichte des Comics sowie meines Kleinverlags in einer autobiographischen Bonus-Story nachlesen, sondern da wird tatsächlich auch im Prolog so ein bisschen die PENG!-Preisverleihung prognostiziert.
Was war das bisher beste Erlebnis für dich als Comiczeichner? Und was war die schwierigste Zeit?
Gute und schlechte Zeiten wechseln sich in dem Metier ständig ab – die reinste Seifenoper. Aber ich hab das Gefühl, die Gewichtung nutzt sich ab und der ganze Illustratoren/Comiczeichner-Alltag wird immer mehr zu einer bräunlichen, homogenen Masse mit nur noch sehr seichtem Wellengang. Daher schlugen beide Extreme auch noch die größten Wellenberge, als ich mit dem Kram anfing. Die besten Erlebnisse waren daher wahrscheinlich meine ersten Leipziger Buchmessen inklusive einer Platzierung beim 2003er Manga-Talente-Wettbeweb, was damals eine unfassbar große Nummer war.
Da hing auch ein gewaltiger Rattenschwanz dran, wo Leute plötzlich begannen, sich für einen zu interessieren – ein ganz großes Rum- und Eingeschleime zum Teil. Herrlich! Einladungen zu irgendwelchen Film-Premieren und Feierlichkeiten mit Tanz und Hot-Dog-Buffet, Ausstellungen in irgend so einem Mercedes-Haus, erste Online-Fans, ständig stand die Presse bei uns in der Bude (und hat sich zum Teil nicht mal die Schuhe ausgezogen, weshalb meine Mutti erst mal ordentlich putzen durfte, nur weil das Kind sich entschieden hatte, Comics zu malen).
Damals fühlte sich dieses Manga-Zeichner-Ding wirklich noch wie der unterste Treppenansatz eines Popstar-Lebens an. Jetzt ist man da viel geerdeter. Statt Popstar eher so was wie eine Bierzelt-Kapelle auf dem Dorffest. Mittlerweile sind die Highlights die regelmäßigen Treffen mit Kollegen. Wir machen auch ein- bis zweimal jährlich mehrtägige Workshops, wo dann u.a. auch zu Übungszwecken 12-Stunden-Comics gezeichnet werden.
Schwierige Zeiten waren immer die, wo man sich eingestehen musste, dass das mit der Comiczeichnerei vielleicht doch nix Handfestes ist. Und die kamen immer und immer wieder, weshalb ich nach jedem größeren Lebensabschnitt eine Alternative zum ursprünglich geplanten Weg als Profi-Zeichner finden musste. Zivildienst statt Zeichnerei, Gemeindearbeit statt Zeichnerei, Bachelor statt Zeichnerei, Master statt Zeichnerei. Mittlerweile hat sich zwar die Zeichnerei durch die kontinuierliche Nebentätigkeit zum Haupterwerb gemausert, aber „leider“ nur mit Schwerpunkt auf Illustratoren-Jobs, und nicht wie erhofft mit der Publikation epischer Comic-Geschichten.
Das Schwerste ist wohl, wenn man irgendwann an den Punkt angelangt, wo man sich eingestehen muss, dass es mit der Comiczeichnerei allein hierzulande eben nicht funktioniert. Zumindest in 99 % der Fälle. Selbst, wenn man zwischendurch immer mal das Gefühl hatte, dass dieses und jenes Projekt oder der ein oder andere Preis endlich mal den richtigen Durchbruch markierten, kamen doch stets die Ernüchterungsphasen postwendend. Leider blieben viele extrem gute Kollegen aus meinem Dunstkreis in solchen Phasen auf der Strecke und haben es aufgegeben. Und obwohl ich auch immer mal wieder sage, dass ich es mit der Comiczeichnerei sein lasse und mich auf das viel einfachere reine Illustrieren konzentriere, zieht es mich immer wieder zurück zum Niederkritzeln eigener kleiner Geschichten und meinem guten Dutzend Leser.
Was sind deine aktuellen Favoriten auf myComics?
Seit einigen Jahren verfolg ich mit viel Wonne die genial illustrierten und frech-frivolen Arbeiten vom Michael Hacker, der nun endlich mal auch auf MyComics vertreten ist und hier seinen unvergleichlichen Austria-Charme verspritzt. Wieder mal der Beweis, dass nur ganz selten mal was Schlechtes aus Österreich kommt. Aber Obacht: Is auch bisschen gruselig, was der malt!
Vielen Dank für das Interview!
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David bei myComics:
Entoman, Manga-Madness...
David im Web:
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